Garten
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12tel Blick Ende November: Freud und Leid der Schrebergärten

12tel Blick 30. November 2016

Schrebergärten sind beliebt und begehrt: bei Menschen, die Erholung im Garten suchen und bei der Immobilienwirtschaft. Dazwischen steckt die Politik, die nur allzu oft vergisst, dass sie eine Verantwortung für lebenswerte Städte hat. Mein letzter 12tel Blick durch das Gartenjahr lässt das anstrengende und aufregende Jahr 2016 Revue passieren.

 

Nun ist mein Jahr im 12tel Blick schon vorüber. Es ist jetzt tatsächlich schon elf Monate her, dass ich noch zwischen Schockstarre und Aktionismus schwankte, als die Nachricht kam, dass unsere Schrebergärten einem Luxusimmobilien-Projekt weichen müssten. Es ist traurige Realität, dass Kleingärten zwar in Mode sind und sich Abertausende nach einem Fleckchen Land sehnen, die Flächen aber gern zu Betongold gemacht werden. Der Rubel will rollen und die Politik hilft tatkräftig mit.

Die gute Nachricht: Meinen Garten gibt es noch. Die schlechte: 150 Gärtner mussten im Januar bei Eis und Schnee holterdiepolder ihr Hab und Gut verlassen.

Kompletter Abriss von 150 Gärten der Kolonie Oeynhausen in Berlin

Kompletter Abriss von 150 Gärten der Kolonie Oeynhausen in Berlin

Wo Gärten waren ist nur noch Ödnis

Wo Gärten waren ist nur noch Ödnis

In Sachen Bau passierte erstmals nichts, für die verbliebenen Gärten blieben Bangen und Hoffen, ob der Investor nicht auch noch weitere Flächen plattmachen lassen würde. Es folgte ein Sommer, in dem Sonnenblumen über die Traurigkeit eines 50.000 m² großen Garten-Friedhofes hinwegtäuschen sollten.

Sonnenblumen sind zwar schön, aber hier waren intakte Gärten und Artenvielfalt

Sonnenblumen sind zwar schön, aber hier waren intakte Gärten und Artenvielfalt

Nun sind auch die gerodet und ein paar weitere Gärten wurden geräumt. Auf ihnen wird die Kindertagesstätte gebaut, mit der sich der Investor brüstet, für die er aber keinen Quadratmeter Land hergeben wollte.

So geht die rund 50.000 qm große Fläche in den Winter 2016/2017

So geht die rund 50.000 qm große Fläche in den Winter 2016/2017

Nun warten die, die ihre Gärten noch haben, auf die neuen Nachbarn: bis zu achtgeschossige Hochhäuser. Aber wann und wie es mit dem Bau losgehen soll, steht derzeit noch in den Sternen. Beim Investor kann man sich aber schon für eine Wohnung im ‘Maximilians Quartier’ vormerken lassen, wie die ihre Umgebung bei weitem überragenden Beton-Ungetüme heißen sollen.

Wohnen im Grünen Herzen von Wilmersdorf heißt es in den Werbetexten. Das zu lesen ist bitter – für die Familien, die diesen Sommer bereits völlig unnötigerweise ihre Gärten nicht mehr nutzen konnten, und natürlich auch für uns alle, da hier nämlich eben genau das angepriesene Grün vernichtet wird und sich das Wohnumfeld insgesamt verschlechtert.

Berlin hat gewählt im September, leider reichte es nicht dazu, die Missmanagement-Regierung im Bezirk von SPD und Grünen abzulösen, allerdings, sie zu schwächen. Der SPD-Baustadtrat Marc Schulte ist zum Glück Vergangenheit, sein betoniertes Erbe wird leider den Bezirk unwiederruflich verschandeln und uns für immer schmerzen. Es bleibt abzuwarten, was der neue Stadtrat der Grünen, Oliver Schruoffeneger, für Zeichen setzen wird. Große Hoffnung wegen des Labels “grün” hege ich nicht, war doch die Politik seiner Fraktion in der letzten Legislaturperiode ein Verrat aller ökologischen Ideale. Und sie hätte anders handeln können.

Der rot-rot-grüne Koalitionsversuch auf Berlinebene hat eine Stärkung der Bürgerbeteiligung und den Schutz von Kleingärten versprochen. Aber wir wissen alle, dass im Subtext immer sowas steht wie “vorbehaltlich Machbarkeit und ohne Behinderung der Lobbyinteressen”. Und man wundert sich auch, was als Großartigkeiten des Koalitionsvertrages gepriesen wird. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich bei allen zentralen Punkten nur um ein Rückgängigmachen der eigenen Fehlentscheidungen der letzten Jahrzehnte.

Große Dankbarkeit und Freude am Garten.

Bist du immer noch dabei? Habe ich dich als LeserIn trotz all der schweren Kost bis hierher noch nicht verloren? Dann danke ich dir wirklich sehr und löse nun endlich mein Versprechen ein, was denn laut Beitragsüberschrift auch Freud in diesem Jahr war.

Vor allem natürlich: Es gibt berlingarten noch – live und in Farbe und nicht nur als Blog. Wir haben jeden verbliebenen Tag im Garten als Geschenk wahrgenommen angesichts des vielen Verlustes um uns herum. Nach Jahren der Zurückhaltung, was Investitionen angeht, habe ich wenigstens ein paar Blumenzwiebeln neu gesetzt. Ich überlege, ob ich im nächsten Jahr eine kleine neue Küche einbaue, da die alte völlig verzogen ist und eigentlich schon seit drei Jahren ausgetauscht werden müsste.

Jenseits der Trauer, dass viele Gärtner noch nichts Neues haben, beobachte ich mit Freude, dass an der einen oder anderen Stelle ältere Pächter ihre Parzellen aufgegeben haben und andere einen Neuanfang wagen können. Es ist so schön, draußen sein zu dürfen, in Kontakt mit der Natur zu kommen, Pflanzen gedeihen zu sehen, einen Ausgleich zum Großstadtalltag zu haben. Ich wünsche allen auf den Wartelisten, dass sich der Traum verwirklichen möge und allen, die einen Garten haben, dass sie ihn noch lange beackern können. Es ist heutzutage leider der pure Luxus, einfach nur in Erde wühlen zu dürfen. Genießen wir es bewußt und in vollen Zügen.

 

15 Kommentare

  1. Liebe Daniela,
    ich hatte schon wiederholt das Vergnügen, Dich als kämpferische Frau zu erleben und ich bin sooo froh darüber, dass es “Gott sei Dank” immer noch oder immer wieder Menschen gibt, die sich für wirklich Erhaltenswertes einsetzen!!!

    Wenn ich wieder lese, was Du schon vor der Wahl berichtet hast, muss ich auch immer wieder an die Cree-Indianer denken, deren Weisheit den Weißen damals egal war und vielen bis heute immer noch ist…

    „Erst wenn der letzte Baum gerodet,
    der letzte Fluss vergiftet,
    der letzte Fisch gefangen ist,
    werdet ihr feststellen,
    dass man Geld nicht essen kann.‘‘

    Nur leider geht es bis dahin vielen skupellosen “Geldhaien” viel zu gut!!!! Und genau das läßt sie weitermachen mit der Vernichtung unserer Lebensräume!!!

    Bleib so kraft- und mutvoll!!! Ich bewundere Dich!
    Alles Liebe für Euch ALLE und ich wünsche Euch aus tiefstem Herzen ein Wunder!!!
    Heidi

  2. Wolfgang Nießen sagt

    Diesen Artikel zu lesen, hat mich betroffen gemacht. Ich lebe bewusst auf dem platten Land, um die Natur und unseren Garten jeden Tag genießen zu können. Und bin froh, dass es hier keine großen Investoren gibt, nur die Kleinen, die ihr eigenes Haus bauen. Die Politik enttäuscht mich immer mehr, auch ohne solche Artikel. Bald ist ja wieder Wahl und mir werden jetzt schon Versprechen um die Ohren gehauen, von denen ich weiß, es sind Wahllügen. (Ich habe das jetzt schon oft genug mit gemacht.)

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

    • Berlingärtnerin sagt

      Lieber Wolfgang,

      herzlichen Dank für deinen einfühlsamen Kommentar. Ja, auch bei mir ist das Vertrauen in die politischen Aussagen nicht mehr vorhanden. Leider.

      Die viel Freude in eurem Garten. Genieße ihn in vollen Zügen!

  3. Ich muss immer schlucken wenn ich diese mittlerweile Brachlandflächen sehe und mich noch an die schönen früheren Bilder erinnere.

    Wir haben hier in Bremen über 100 Kleingartenvereine mit ca. 17.000 Mitgliedern (die Familienmitglieder nicht mitgezählt) und auch hier gibt es Vereine in denen Parzellisten enteignet werden wegen Baumaßnahmen. In unserer Vereinszeitschrift wird auch immer wieder die grüne Lunge dieser Biotopflächen bejubelt aber derjenige, der am längeren Hebel sitzt kann diesen auch umlegen, wie es gerade passt, Protest hin oder her. Wir sind das kleinste Bundesland und unsere Fläche für Wohnbebauung ist dementsprechend knapp, deshalb wird immer wieder auf die Kleingartenflächen geschielt, die zugegebener Weise in sehr beliebten Gegenden liegen. Und das sollte auch so bleiben, sonst verlieren wir ein großes Stück Lebensqualität auf unserer kleinen Insel … aber wem sage ich das.

    Glückwunsch, dass Du dieses Kleinod weiter genießen kannst.
    LG Aqually

    • Berlingärtnerin sagt

      Wie war das doch noch mit der Weissagung der Cree? „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

      Traurig, dass Jahrzehnte nach dem Beginn der “ökologischen Aufklärung” Entscheider in Bremen oder Berlin immer noch nicht schlauer sind. Aber futuristische Konzepte a la Singapur preisen, in denen gigantische Öko-Installationen verlorenes Grün wiederbringen sollen.

      Dennoch liebe Grüße, beste Aqually!

  4. Margit sagt

    Bin zufällig auf Deinen Blog gestoßen und bin ganz begeistert von Deinem Garten! Nicht auszudenken, dass er auch irgendwann irgendwelchen Bauten weichen soll. Ich wohne zwar nicht in der Großstadt, aber auch hier ist es Mode, jedes Fleckchen grün zuzubauen oder wie es so schön heißt… nachzuverdichten! Ein schreckliches Wort. Ich habe momentan zwei Gärten und würde einen gerne abgeben. Allerdings ist es auch nicht ganz einfach, einen passenden Pächter zu finden. Jedem möchte ich den Garten nämlich auch nicht geben, weil doch viel Herzblut darin hängt!
    Viele Grüße von Margit

    • Berlingärtnerin sagt

      Hallo Margrit,

      herzlich willkommen im Blog! Ich freue mich sehr, dass du da bist. Dass du eine Herzblutgärtnerin bist, merkt man gleich daran, dass du deinen Garten nur “in beste Hände” geben magst. Schön, dass wir uns hier kennen lernen :-)

      Liebe Grüße und bis bald!

  5. Hach lieb Xenia, was für ein Wechselbad der Gefühle. Ich bin so froh, dass du deinen wunderschönen Garten noch hast und drücke dir ganz fest die Daumen, dass es auch noch laaaange Zeit so bleibt. Dein Rückblick ist ganz bezaubernd geworden. Der Film hat mich für einen Augenblick aus der Weihnachtszeit ins kommende Frühjahr katapultiert und mir ein super breites Lächeln ins Gesicht gezaubert. Der Lauf der Natur ist so unglaublich faszinierend und atemberaubend schön. Ebenso dein grüner Daumen ;)
    Ich wünsche dir noch eine wunderbare Vorweihnachtszeit und schicke dir allerliebste Grüße,
    Kama

    • Berlingärtnerin sagt

      Allerliebste Grüße auch an dich, beste Kama! Komm genussvoll durch die Adventszeit und genieße dein wunderschönes Heim.

  6. Steffi Guthmann sagt

    Liebe Xenia,
    Angesichts der Teilräumung eurer Schrebergartenkolonie kann ich Deine Empfindungen zwischen banger Hoffnung und politverdrossener Skepsis total nachempfinden.
    Mich freut, dass Du den Unwägbarkeiten zum Trotz Deiner Passion folgst und uns auch jetzt im Winter Gartenfreude ohne Ende bringst!
    Herzliche Grüße
    Steffi

    • Berlingärtnerin sagt

      Steffi, ich drück dich. Dass ich dich hier kennen gelernt habe – du bringst mir Freude ohne Ende.

  7. Hallo Xenia!
    Es ist so traurig, was in unseren Heimatländern so alles läuft. Überall wird alles zubetoniert und asphaltiert :( Das macht leider auch hier bei uns auf dem Land nicht halt.
    Wo werden später einmal die Kühe weiden? Wo Gemüse und Getreide angebaut?
    Eine wirklich traurige Zukunft, die da auf unsere Kinder und Enkelkinder wartet :(
    Ich hoffe sehr für dich, dass du deinen Garten behalten kannst, obwohl ich mir die Aussicht auf 8 Stock hohe Gebäude auch nicht so berauschend vorstelle :(.

    GlG
    Sabine

    • Berlingärtnerin sagt

      Liebste Sabine!

      Angesichts der Achtgeschosser heißt es derzeit tatsächlich “lieber ein kleines Glück als gar keins”. Am Ende werden wir der Stadt aber vielleicht den Rücken kehren müssen, um irgendwo bezahlbaren Grund und Boden zum Wühlen zu ergattern und nicht eingeklemmt zwischen Hochhäusern zu gärtnern. Schade.

      Herzliche Grüße!

  8. Daniela sagt

    Ohje, das ist absolut traurig für die Gärtner!!! Ich habe das in meiner Kleinstadt auch schon erlebt, dass eine große Fläche Kleingärten für neue PARKPLÄTZE unserer Zuckerfabrik weichen mussten….PARKPLÄTZE….*kopfschüttel!!!
    Ich habe auch immer ein wenig Angst um unseren Pachtgarten. Er liegt zwar in einem Überschwemmungsgebiet das nicht bebaut werden darf, aber der Eigentümer des Grundstückes könnte theoretisch an die Stadt verkaufen, die dann einen Park daraus macht. Das Gerücht schwebte schon im Raum.
    Hoffen wir für uns das Beste, dass wir unsere Gärten nicht irgendwann verlieren!
    Liebe Grüße aus Uelzen
    Daniela

    • Berlingärtnerin sagt

      Hallo Daniela!

      Parkplätze statt Gärten setzt dem Thema wirklich die Krone auf. Danke für deine Rückmeldung! Ich drücke dir die Daumen für noch viele Jahre in deinem Garten und freu mich, wenn wir mal wieder voneinander lesen :-)

      Liebe Grüße!

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