Unterwegs
Kommentare 11

Urban Gardening New York: ein Nachmittag im Highline Park

Highline Park is perfect urban gardening

Ein Dutchman in New York: im Highline Park auf der Westseite Manhattans lässt sich erleben, wie Piet Oudolf eine ehemalige Hochbahntrasse im Meatpacking District gestaltete. Und die streitbaren New Yorker es schafften, eine schon für Immobilienprojekte vorgesehene Fläche für die Öffentlichkeit zu bewahren.

Steffi

Steffi

Liebe Leser_innen von berlingarten,
mein Name ist Steffi. Vor kurzem hat Xenia mich eingeladen, einen Gastbeitrag für berlingarten zu schreiben. Das ehrt mich, da ich Xenias Blog sehr gern folge und bei berlingarten neben vielerlei Inspiration auch wertvolle Tipps für die Gartenpraxis finde. Mit meiner Familie war ich im August 2014 und 2016 in New York unterwegs. Ich freue mich, euch hier mitzunehmen in New Yorks Highline Park.

Piet Oudolf und seine New Yorker Pflanzenverwendung.

Saftig grüne Wiesen, weitläufige Wege unter schattenspendenden Baumriesen, eine spiegelnde Wasserfläche… Alles, was sich in meiner und vermutlich auch eurer Vorstellung mit dem Wort Park verknüpft, fehlt im New Yorker Highline Park komplett. Was mich als Gartenfreundin und Pflanzenliebhaberin dennoch dort hingetrieben hat, war das Stichwort Piet Oudolf.

Der niederländische Landschaftsgärtner hat im Highline Park die Bepflanzung gestaltet. Die für seinen Stil charakteristische Verwendung von Gräsern und Stauden lässt sich hier exemplarisch studieren. Was sich hier in den schmalen Beeten präsentiert, wirkt sehr naturnah. Als Anklang an den Wildbewuchs, der auf der ehemaligen Industriebrache vorhanden war, bevor sie Park wurde, wählte Oudolf fast ausschließlich einheimische Pflanzenarten in zurückhaltenden Farbtönen. Die Gegebenheiten des Untergrundes, das komplette Fehlen tieferer Erdschichten, haben die Wahl der Pflanzen mitbestimmt.

Alle Fotos vergrößern sich durch anklicken.

Geblieben sind die Eisenbahnschienen.

Der Highline Park versucht gar nicht zu verhehlen, dass er für ein Kapitel der New Yorker Industriegeschichte steht. Mit einer Länge von 2,3 Kilometern liegt das schmale Parkareal auf den Gleisen einer aufgelassenen Hochbahntrasse im Meatpacking District. Diese Trasse entstand ca. 1930, um für das hier angesiedelte fleischverarbeitende Gewerbe den Viehtransport zu bewerkstelligen. Jedes Gebäude entlang der Strecke hatte einen eigenen Gleisanschluss und wurde auf den Ebenen des 2. oder 3. Stockwerks direkt von den Eisenbahnwaggons beliefert. Später, als die meisten Schlachtereien abgewandert waren, dienten die Betriebshallen noch für ein paar Jahre den Bäckereien als Lagerräume für Getreide. Später wanderten auch diese Betriebe ab. Es kamen Galerien, Boutiquen und schicke Bars. Geblieben bis heute sind die Eisenbahnschienen.

Highline Park: 2,3 km lang aber oft sehr schmal

Highline Park: 2,3 km lang aber oft sehr schmal

Erhalt urbanen Grüns – ein Hoch auf die Bürger!

Zu welch großem und nachhaltigem Erfolg bürgerschaftliches Engagement führen kann, zeigt die Entstehungsgeschichte des Highline Parks. Dass ein Teilstück der ursprünglich 20 km langen Highline heute noch da ist, haben wir nämlich den streitbaren Anwohnern an der Gansevoort Street zu verdanken. Sie waren sich des Wertes der ehemaligen Industrietrasse, die seit Mitte der 80er Jahre brachlag, sehr wohl bewusst. Denn als die Abrissgenehmigung bereits unterzeichnet war – zugunsten gewinnträchtiger Neubauprojekte – gingen die New Yorker im wahrsten Sinne des Wortes auf die Barrikaden. Als Bürgerinitiative „Friends of the Highline“ machten sie ab 1999 ordentlich Krach. Schließlich konnten sie die Stadtvertretung auf ihre Seite bringen und den Abriss abwenden, indem sie überzeugende Ideen für die Nachnutzung des Areals vorlegten. Fundraising: Nicht kleckern, sondern klotzen.

Beim Konzept für die Highline konnte man sich von Paris inspirieren lassen. Dort war in den 80er Jahren mit der Coulée verte René-Dumont erstmals eine Hochtrasse in eine öffentliche Grünfläche umgestaltet worden. Während die Anfangsfinanzierung für die kostspielige Umgestaltung über die Stadt New York sichergestellt wurde, erfolgte die Verwirklichung des letzten Bauabschnitts spendenfinanziert. Mehr als wir Deutschen sind die Amerikaner darin geübt, gemeinnützige Projekte und Stiftungskapital zusammenzubringen. Jedenfalls schafften es die „Freunde der Highline“, namhafte Persönlichkeiten wie Modedesignerin Diane von Fürstenberg für ihr Projekt zu begeistern.

Habt ihr Lust, mehr über die Entstehungegeschichte der Initiative zu erfahren, dann schaut euch unbedingt diese Postcastreihe an!

Wohlfühloase mit Omas Brühkaffee to go.

Um den Highline Park toll zu finden, muss man aber weder die Historie kennen, noch die Erfolgsgeschichte seiner Entstehung. Wer in New York eine gute Zeit haben will, um entspannt das Hier und Jetzt zu genießen, für den ist der Highline Park goldrichtig: eine legere, urbane Oase inmitten der angesagten Szeneviertel Meatpack District und Chelsea. Oase meint, dass es bequeme und sonnige wie schattige Sitzgelegenheiten gibt. Brennende Füße können sogar in einem kleinen Wasserlauf gekühlt werden. Die für New York so typischen Hot Dog-Buden fehlen hier (zum Glück). Dennoch muss hier keiner hungrig oder durstig bleiben. Wer die Geduld aufbringt, an der Kaffeebar 15 Minuten der Zubereitung des bestellten Kaffees zuzusehen, der wird mit einem extrafeinen Aroma belohnt. Dafür wird inzwischen wieder exakt die Technik verwendet, die ich als Kind bei meiner Oma kennengelernt habe: Bohnen frisch mahlen – Kaffeefilter vorbrühen – warten – langsam zirkulär aufgießen. Voilà!

Für die Besucher des Highline Parks eröffnet sich zudem eine ungewohnte Perspektive auf die Stadt. Eine als Mini-Balkon genutzte Feuerleiter, ein versteckter Dachbiergarten, schattige Innenhöfe, farbenfrohe Graffitikunst, alte Industriefassaden aus Backstein: Diese Sicht auf Höhe der dritten Etage hat in New York echten Seltenheitswert. Denn viel öfter stehe ich in vielen Vierteln Manhattans am Fuße eines Wolkenkratzers und blickte an der Fassade entlang unendlich weit nach oben. Oder ich stehe oben auf einer Plattform, die ich mittels schnurrendem Aufzug in Windeseile erreicht habe und blicke aus schwindelerregender Höhe hinab. Auf der Highline wird New York ein Stück weit nahbar.

“Lebensverbesserer des Jahres”.

Klar ist der Highline Park inzwischen in den Sommermonaten voller Besucher, manchmal regelrecht überlaufen. Die New Yorker lassen sich dennoch nicht abhalten, den Park aufzusuchen – beispielsweise um dort die Mittagspause zu verbringen. Auch für Performances wird der Ort oft genutzt. Obendrein bieten „Friends oft the Highline“, die den Park im Auftrag der Stadt managen, ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm.

Die Zeitschrift Wallpaper verlieh dem Park nach der Fertigstellung 2014 den Titel „Lebensverbesserer des Jahres“ („Life Enhancer of the Year“). Welch ein Glück, dass die Anwohner des Viertels seinerzeit nicht locker gelassen haben. Ihrem Engagement verdanken wir diese lebendige Oase inmitten der Großstadt.

Der Highline Park ist der Allgemeinheit gewidmet. Der Eintritt ist frei.

Liebe Steffi (@bavarianblue), ich danke dir sehr, dass du der Einladung nachgekommen bist, uns mit nach New York zu nehmen. Dieser lebendige und informative Beitrag ist eine echte Bereicherung der Themen dieses Blogs! Wie schön, dass uns Instagram zusammengeführt hat.

11 Kommentare

    • Berlingärtnerin sagt

      Piet Oudolf-Anlagen in besonderer Umgebung: Das hätte tatsächlich was.
      Aber man will ja auch mal verreisen :-)

  1. Liebe Steffi, liebe Xenia,
    vielen Dank für diesen mehr als interessanten Bericht – hat viel Freude gemacht, ihn zu lesen. Ich war leider noch nie in New York – aber wenn, dann werde ich mir dieses Oudolf-Werk auf jeden Fall ansehen.
    LG Anja

    • Berlingärtnerin sagt

      Und ich will jetzt auch unbedingt mal hin, liebe Anja.

      Da hast du uns alle sehr angefixt, Steffi :-)

  2. Der Park ist wirklich wunderschön und zeigt sehr gut auf, dass man nicht alles alte sofort abreisen sollte. Eines der schönsten sehenswürdigkeiten in NY City. War das letzte mal dort vor ca. drei Jahren. Eventuell habe ich das Glück und kann es bald wiedersehen. Grus Konstantin

    • Berlingärtnerin sagt

      Hallo Konstantin,

      das finde ich auch: Altes erst einmal bewahren. Und bemerkenswert ist auch, dass hier sogar Grün geschaffen wurde. In Berlin gibt’s das nicht. Grünflächen werden vernichtet, leider für immer. Und dass ehemals bebautes Gelände in Grün umgewandelt würde: undenkbar, leider.

      Ich drück dir die Daumen, dass du die Möglichkeit für einen weiteren Besuch hast,

      liebe Grüße!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert