12tel Blick Ende November: Freud und Leid der Schrebergärten

Schrebergärten sind beliebt und begehrt: bei Menschen, die Erholung im Garten suchen und bei der Immobilienwirtschaft. Dazwischen steckt die Politik, die nur allzu oft vergisst, dass sie eine Verantwortung für lebenswerte Städte hat. Mein letzter 12tel Blick durch das Gartenjahr lässt das anstrengende und aufregende Jahr 2016 Revue passieren.

 

Nun ist mein Jahr im 12tel Blick schon vorüber. Es ist jetzt tatsächlich schon elf Monate her, dass ich noch zwischen Schockstarre und Aktionismus schwankte, als die Nachricht kam, dass unsere Schrebergärten einem Luxusimmobilien-Projekt weichen müssten. Es ist traurige Realität, dass Kleingärten zwar in Mode sind und sich Abertausende nach einem Fleckchen Land sehnen, die Flächen aber gern zu Betongold gemacht werden. Der Rubel will rollen und die Politik hilft tatkräftig mit.

Die gute Nachricht: Meinen Garten gibt es noch. Die schlechte: 150 Gärtner mussten im Januar bei Eis und Schnee holterdiepolder ihr Hab und Gut verlassen.

Kompletter Abriss von 150 Gärten der Kolonie Oeynhausen in Berlin

Kompletter Abriss von 150 Gärten der Kolonie Oeynhausen in Berlin

Wo Gärten waren ist nur noch Ödnis

Wo Gärten waren ist nur noch Ödnis

In Sachen Bau passierte erstmals nichts, für die verbliebenen Gärten blieben Bangen und Hoffen, ob der Investor nicht auch noch weitere Flächen plattmachen lassen würde. Es folgte ein Sommer, in dem Sonnenblumen über die Traurigkeit eines 50.000 m² großen Garten-Friedhofes hinwegtäuschen sollten.

Sonnenblumen sind zwar schön, aber hier waren intakte Gärten und Artenvielfalt

Sonnenblumen sind zwar schön, aber hier waren intakte Gärten und Artenvielfalt

Nun sind auch die gerodet und ein paar weitere Gärten wurden geräumt. Auf ihnen wird die Kindertagesstätte gebaut, mit der sich der Investor brüstet, für die er aber keinen Quadratmeter Land hergeben wollte.

So geht die rund 50.000 qm große Fläche in den Winter 2016/2017

So geht die rund 50.000 qm große Fläche in den Winter 2016/2017

Nun warten die, die ihre Gärten noch haben, auf die neuen Nachbarn: bis zu achtgeschossige Hochhäuser. Aber wann und wie es mit dem Bau losgehen soll, steht derzeit noch in den Sternen. Beim Investor kann man sich aber schon für eine Wohnung im ‚Maximilians Quartier‘ vormerken lassen, wie die ihre Umgebung bei weitem überragenden Beton-Ungetüme heißen sollen.

Wohnen im Grünen Herzen von Wilmersdorf heißt es in den Werbetexten. Das zu lesen ist bitter – für die Familien, die diesen Sommer bereits völlig unnötigerweise ihre Gärten nicht mehr nutzen konnten, und natürlich auch für uns alle, da hier nämlich eben genau das angepriesene Grün vernichtet wird und sich das Wohnumfeld insgesamt verschlechtert.

Berlin hat gewählt im September, leider reichte es nicht dazu, die Missmanagement-Regierung im Bezirk von SPD und Grünen abzulösen, allerdings, sie zu schwächen. Der SPD-Baustadtrat Marc Schulte ist zum Glück Vergangenheit, sein betoniertes Erbe wird leider den Bezirk unwiederruflich verschandeln und uns für immer schmerzen. Es bleibt abzuwarten, was der neue Stadtrat der Grünen, Oliver Schruoffeneger, für Zeichen setzen wird. Große Hoffnung wegen des Labels „grün“ hege ich nicht, war doch die Politik seiner Fraktion in der letzten Legislaturperiode ein Verrat aller ökologischen Ideale. Und sie hätte anders handeln können.

Der rot-rot-grüne Koalitionsversuch auf Berlinebene hat eine Stärkung der Bürgerbeteiligung und den Schutz von Kleingärten versprochen. Aber wir wissen alle, dass im Subtext immer sowas steht wie „vorbehaltlich Machbarkeit und ohne Behinderung der Lobbyinteressen“. Und man wundert sich auch, was als Großartigkeiten des Koalitionsvertrages gepriesen wird. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich bei allen zentralen Punkten nur um ein Rückgängigmachen der eigenen Fehlentscheidungen der letzten Jahrzehnte.

Große Dankbarkeit und Freude am Garten.

Bist du immer noch dabei? Habe ich dich als LeserIn trotz all der schweren Kost bis hierher noch nicht verloren? Dann danke ich dir wirklich sehr und löse nun endlich mein Versprechen ein, was denn laut Beitragsüberschrift auch Freud in diesem Jahr war.

Vor allem natürlich: Es gibt berlingarten noch – live und in Farbe und nicht nur als Blog. Wir haben jeden verbliebenen Tag im Garten als Geschenk wahrgenommen angesichts des vielen Verlustes um uns herum. Nach Jahren der Zurückhaltung, was Investitionen angeht, habe ich wenigstens ein paar Blumenzwiebeln neu gesetzt. Ich überlege, ob ich im nächsten Jahr eine kleine neue Küche einbaue, da die alte völlig verzogen ist und eigentlich schon seit drei Jahren ausgetauscht werden müsste.

Jenseits der Trauer, dass viele Gärtner noch nichts Neues haben, beobachte ich mit Freude, dass an der einen oder anderen Stelle ältere Pächter ihre Parzellen aufgegeben haben und andere einen Neuanfang wagen können. Es ist so schön, draußen sein zu dürfen, in Kontakt mit der Natur zu kommen, Pflanzen gedeihen zu sehen, einen Ausgleich zum Großstadtalltag zu haben. Ich wünsche allen auf den Wartelisten, dass sich der Traum verwirklichen möge und allen, die einen Garten haben, dass sie ihn noch lange beackern können. Es ist heutzutage leider der pure Luxus, einfach nur in Erde wühlen zu dürfen. Genießen wir es bewußt und in vollen Zügen.