Das Interview mit Annette: einen Topfgarten anlegen

Liebe Annette, du hast in England studiert, lebst in Frankreich und der Schweiz, bist also weit herumgekommen und hast einen großen Garten – wie kam es dazu, dass du dich mit deinem neuen Buch “Mein Garten wächst im Topf”* vom Großen zum scheinbar Kleinen wendest? Herzlichen Glückwunsch übrigens zu dessen Auszeichnung beim Deutschen Gartenbuchpreis und dem erobern der Spiegel Bestsellerliste!

Vielen Dank. Topfpflanzen begleiten mich schon mein ganzes Leben. Ich liebe die gestalterische Freiheit, man kann sich richtig schön “austoben”. Ich habe das Thema “mehrjährige Kübelbepflanzungen” aus verschiedenen Gründen gewählt: Es ist nachhaltiger, günstiger und fördert last but not least die Biodiversität. Zudem leben die meisten Menschen heute in Städten, Tendenz steigend, und haben oftmals nur einen Balkon. Im urbanen Raum ist eine dauerhafte, tierfreundliche Bepflanzung umso wichtiger. Vögel, Insekten und andere Tiere finden Zuflucht, Nahrung und Brutplätze. Durch das Anlegen von Topfgärten entstehen grüne Korridore, über die sich weniger mobile Arten fortbewegen können.

Welche Herausforderungen gibt es beim Gärtnern in Töpfen im Vergleich zum traditionellen Garten, und wie kann man diese meistern?

Im Topf können sich die meisten Gewächse nicht so entfalten wie im Boden, weil der Wurzelraum limitiert ist. Sie sind auf unsere Zuwendung, sprich ein ausgewogenes Gieß- und Düngeregime angewiesen. Dieses ist – je nach Pflanzenwahl – mehr oder weniger anspruchsvoll. Im Buch liegt der Schwerpunkt auf pflegeleichten Arten, die auch mit Trockenheit zurechtkommen. Wie im Garten gilt auch hier: Eine standortgerechte Gestaltung ist pflegeleichter und weniger anfällig für Probleme. Je nach Situation erleichtern Bewässerungssysteme die Pflege.

Du sagst: Geranien waren gestern – was hast du gegen den Balkonklassiker?

Ich habe nichts gegen Geranien, also Pelargonien, aber gegen Monokulturen. Vielerorts sieht man nur Geranien, die Insekten nichts zu bieten haben. Ab dem Herbst herrscht dann gähnende Leere – so schade, wenn es auch anders und schöner geht. Pelargonien mag ich sehr, vor allem die Wildarten wie P. ardens oder P. sidoides und duftende Sorten wie ‘Attar of roses’.

Mir gefallen deine 20 ganz konkreten Pflanzideen im Buch besonders gut – wie bist du auf diese unterschiedlichen und kreativen Ideen zum Anlegen eines Topfgartens gekommen?

Sie haben sich aus meinen eigenen Erfahrungen herauskristallisiert. Alle Pflanzen haben sich über die Jahre im Topf bewährt, und zwar ohne verwöhnt zu werden. Durch meine häufige Abwesenheit sind meine Kübelpflanzen oft auf sich gestellt. Widerstandsfähige, trockenheitsverträgliche, insekten- und vogelfreundliche Arten sind ein Schwerpunkt des Buches.

Also alles für Anfänger und Menschen ohne den berühmten grünen Daumen geeignet.

Im Buch gehen die Pflanzempfehlungen für Gefäße ab 40 Litern los. Was empfiehlst du denjenigen, die nur Platz für kleinere Töpfe haben?

Wenn man mehrere Stauden miteinander oder mit Gehölzen kombiniert, braucht es ein größeres Gefäß, damit sie sich gut entfalten können und weniger gegossen werden müssen. In kleineren Töpfen muss man die Bepflanzung entsprechend anpassen. In den Tabellen findet man zusätzlich zahlreiche Alternativen mit detaillierten Angaben, was die Auswahl erleichtert.

Mein Liebling für die Topfkultur ist die Dalmatiner Polster-Glockenblume Campanula portenschlagiana, die bienenfreundlich ist und über Jahre an eigentlich jedem Standort ununterbrochen blüht – gibt es von solchen Superstars noch weitere?

Problem- und anspruchslos sind Blutroter Storchschnabel, Skabiose, Hauswurz, Dost, Fetthenne und Gewöhnlicher Wasserdost – alle trockenheitstolerant und tolle Insektenmagnete.

Du empfiehlst mehrjährige Pflanzen für den Topfgarten. Welche Pflanzen eignen sich besonders gut, um das ganze Jahr über ein schönes Bild zu bieten – mit langer Blüte und ansprechender Winterstruktur?

Ideal sind Arten mit dekorativen Blüten und Früchten und hübschem Laub wie Felsenbirne, Pfaffenhütchen, Hartriegel und Fächer-Ahorn. Viele Gräser und Stauden sehen auch im Winterkleid toll aus und sind eine wertvolle Ergänzung.

Gern würden wir dich noch als Gartenmenschen näher kennenlernen: Bitte verrate uns doch, welcher Gartentyp du bist:

Rosa oder gelb?

Gelb im Frühling und Herbst, Rosa das ganze Jahr.

Nur Zierpflanzen oder auch Gemüse?

Beides.

Gemüse auch im Topf?

Selten, da wir einen großen Gemüsegarten haben.

Gartenhandschuhe oder Erde unter den Fingernägeln?

Bislang unter den Nägeln, aber seit ich gesehen habe, was das ständige Werkeln ohne Handschuhe verursachen kann, zwinge ich mich zu mehr Vernunft.

Gerade oder geschwungene Linien?

Überwiegend geschwungen.

Entspannt oder immer auf Trab?

Beides ist möglich. Der Garten ist zum Genießen da, und wenn er super da steht – z.B. nachdem ich ihn für Gruppen aufgemacht habe – findest du mich an einem unserer vielen Sitzplätze mit einem guten Buch. Im Frühling ist das eher selten, da läuft mir die Zeit davon. Aber im Sommer und Herbst bin ich gelassen und im Genussmodus. Ich denke insgesamt, dass ich in kein Schema passe. [Lacht]

Gibt es Gartenbeschäftigungen, die du am liebsten den ganzen Tag lang tun würdest?

Filmen und fotografieren.

Und auf der anderen Seite: Gibt es Tätigkeiten im Garten, mit denen man dich jagen kann?

Rasenkanten an den Beeten abstechen – mache ich alle paar Jahre, so wie dieses Jahr, was mir meine Schulter wochenlang nachträgt. Obstbaumschnitt ist auch nicht mein Ding.

Gute Besserung für deine Schulter! Welches ist deine Lieblingskombination in deinem eigenen Topfgarten?

Da gibt es mehrere. Einmal der Fächer-Ahorn mit Viola sororia ‘Freckles’ und Schlangenbart. Sehr schön sind auch die duftenden Lilien mit Wolfsmilch, Oleander und Lavendel. Und meine Sukkulentensammlung!

Welche fünf Pflanzen und Gartenwerkzeuge würdest du in einen einsamen Garten mitnehmen und warum?

Eine Felsenbirne, die Rose ‘Tapis volant’, den Kanadischen Judasbaum, Rosmarin, Clematis cirrhosa, weil ich so das ganze Jahr von Schönem umgeben bin und viele Insekten und andere Tierchen beobachten kann [bis auf Rosmarin unten im Uhrzeigersinn]. Felsenbirne und Rosmarin schmecken zudem lecker. Außerdem aus praktischen Überlegungen einen Schubkarren, einen Spaten, eine Gartenschere, eine Sichel und eine Säge.

Arbeitest du schon an einem weiteren Gartenbuch?

Im Geiste – der Samen dafür ist aufgegangen.

Großartig! Bestimmt wird es wieder ebenso informativ und wunderschön gestaltet sein wie deine bisherigen Werke. Besonders gut gefallen mir auch deine Bücher über das Gärtnern mit wenig Gießen. Wer mehr über dich erfahren möchte, findet auf deiner Webseite weitere Informationen oder kann dir einfach auf Instagram folgen.

Herzlichen Dank für deine wertvollen Tipps, liebe Annette! Bei mir ist jedenfalls der Samen für einen Topfgarten auf dem Balkon bereits aufgegangen.

Copyright Fotos Annette Lepple: Titel, Portrait mit Hund, Wasserdost, 3 Topfgarten-Szenen und Rose in Collage unten

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