Die Gärten dürfen nicht sterben

Da ist es wieder. Dieses Gefühl der Ohnmacht, das ich so schwer ertrage. Wenn du nichts machen kannst, außer immer wieder ungläubig auf die letzten Nachrichten in Facebook und deinem E-Mail-Postfach zu starren. Abermals den Fernsehbeitrag anzusehen und den Vorsitzenden deiner Gartenanlage sagen hören, dass keine Hoffnung mehr besteht.

berlingarten soll nun wirklich keine Chance mehr haben und mit über 300 weiteren Gärten geräumt werden? Schon nächsten Februar? Die Bagger laufen sich warm, während ich hier den Garten winterfest mache und mit meiner Tochter die Stauden teile? Zukunft vorbereite!

Ohnmacht ist eine Mischung aus Wut und Schmerz und erwächst aus dem Gefühl der Hilflosigkeit. 93.000 Quadratmeter Grün mit vielfältigem und wertvollem Baumbestand – die Kolonie gibt es seit 111 Jahren – sollen jetzt doch platt gemacht werden. All meine Schätze, all die Hingabe. Das Blog bald als Tagebuch einer Auflösung.

Die juristischen Hintergründe zur Situation sind verworren. Kurz gesagt hat Ende letzter Woche die Bezirksaufsicht unter Berlins Innensenator Henkel den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf aufgehoben, der aufgrund des gemeinsamen Vorgehens der Opposition die Kolonie dauerhaft gesichert hätte.

Und mit welcher Begründung werden wir jetzt quasi einen Meter vorm rettenden Ziel geschasst? Das Entschädigungsrisiko für die Sicherung als Grünfläche wird als erheblich eingestuft, sie darf nach Auffassung der Bezirksaufsicht nicht weiter verfolgt werden.

Wie bitte? Bei einem Kaufpreis in Höhe von nur 600.000 EUR für dieses riesige Areal stellt sich doch die Frage, was dem amerikanischen Investor für ein Schaden in womöglich zweistelliger Millionenhöhe entstehen kann, wenn er ein Grundstück gekauft hat, das im Flächennutzungsplan als schützenswerte Kleingartenanlage eingetragen ist. Nicht als Baugrundstück. Und auch der letzte Gutachter unter Berücksichtigung aktueller Urteile des Bundesverfassungsgerichts festgestellt hat, dass ein Entschädigungsanspruch nicht besteht.

Es wird dem Investor dennoch die Möglichkeit eröffnet, hier 700 Luxuswohnungen zu bauen und die Gärten zu zerstören. Unsere Regierenden, die unsere Interessen repräsentieren müssten, haben noch immer nicht verstanden, dass wir heute nicht unwiederbringlich vernichten dürfen, was uns in Berlin unterscheidet von anderen Großstädten und lebenswert macht: das Grün, die Möglichkeit zum Draußensein, zur Bewegung in frischer Luft. Nachhaltigkeit bedeutet nicht, nachhaltig Natur (und Vertrauen in die Politik) zu zerstören.

Und nun? Ich sehe, wie grinsend das Bein gestellt wird und kann nichts tun außer taumeln. Es ist zum Verzweifeln.

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14 Kommentare

  1. sisah 31. Oktober 2015 at 12:28 - Antworten

    Liebe Xenia,
    jetzt ist es also doch so weit. Meine in ‚Oeynhausen‘ gärtnernde Freundin hat mir das schon in die Normandie gewhatsappt. Es ist unfassbar, dass physische und psychische Gesundheit der Städter, ökologischer Wert der innerstädtischen Kleingärten für das Stadtklima wenig Bedeutung zu haben scheinen. Deine Hilflosigkeit kann ich nachvollziehen….Berlin wat haste dir verändert, fällt mir dazu nur ein. Wenn ich lese…’das Entschädigungsrisiko‘ ist der Bezirksaufsicht zu hoch..genau das ist es… Berlin hat kein Geld sich auf juristische Auseinandersetzungen einzulassen.Es ist pleite……Und Kleingärtner haben keine einflussreiche Lobby, keinen reichen Sponsoren. Realsozialistische Schlösser werden abgerissen, um dafür ein Remake eines Hohenzollern-Schlosses in der Innenstadt neu aufbauen zu lassen. Mit solchen popligen Kleingärten gibt sich aber keiner ab…
    Traurige Grüße
    Sisah

    LG
    Sisah

    • Berlingärtnerin 31. Oktober 2015 at 17:53 - Antworten

      Oh ja, das ist wirklich ein Armutszeugnis für die Stadt. Und die Politiker, die vom Nicht-können reden, verdecken damit ihr Nicht-wollen.

      Liebe Grüße, auch an deine Freundin!