Bayern macht sich auf: zum Volksbegehren Artenvielfalt „rettet die Bienen“

Wahrscheinlich wisst ihr, dass berlingarten damals als Blog gestartet ist, um zum Erhalt von Grünflächen beizutragen. Und noch immer ist es mir wichtig, Stellung zu beziehen. Dabei geht es mir nicht um die Unterstützung von Parteien, sondern von Anliegen. Wie jetzt dem Volksbegehren Artenvielfalt, das vom 31.01. bis 13.02. bayernweit stattfindet. Gartenfreundin Steffi beleuchtet“Rettet die Bienen“ und hat uns das Thema auch musikalisch zusammengefasst.

Steffi lebt im oberbayerischen Raubling

Steffi lebt im oberbayerischen Raubling

Liebe Leserinnen und Leser! Xenia hat mich zu einem Gastbeitrag zum Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern eingeladen, wohlwissend, dass meine Familie im tiefsten Oberbayern lebt, nur 25 km entfernt vom Nachbarland Österreich, und mich das Thema Natur- und Artenschutz besonders interessiert. Liebe Xenia, herzlichen Dank für die Einladung! Und: alle erwähnten Songs, gekennzeichnet mit * findet ihr in der Playlist am Ende des Beitrags.

Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ in Bayern.

Wenn ihr euch gerade fragt, inwiefern ein Volksbegehren in Bayern für den Rest der Republik von Interesse sein könnte, dann sei euch hier zugeraunt, dass Bayern womöglich das fortschrittlichste Naturschutzgesetz ganz Europas bekommt.
Neeee! Doch! Wirklich??

Karl, der Käfer und Hans, de Humme.

„Karl der Käfer wurde …“* den Refrain dieses Hits können ältere Semester mitsingen, wetten? Entstanden zu Beginn der Ökobewegung hat der Protestsong damals, Anfang der 80er Jahre, die deutschen Hitparaden geentert. Heutige Protestsongs klingen anders, erst recht, wenn sie in bayerischem Slang gesungen werden. Die Inhalte aber sind genau die gleichen wie vor 30 Jahren.

Hans de Humme** zum Beispiel ist die Geschichte von Hans der Hummel, die beim Ausbau der Autobahn A94 sprichwörtlich unter die Räder kommt. Sind wir also keinen Schritt weiter gekommen seit den 80er Jahren?
Schwer zu sagen.

#volksbegehrenartenvielfalt – darum geht es.

Die Hashtags #volksbegehrenartenvielfalt und #rettetdiebienen mäandern gerade durch die sozialen Netzwerke und sollen die Menschen in Bayern mobilisieren, denn die Hürden sind hoch: Nur wenn sich knapp 1 Million Bürgerinnenund Bürger Bayerns zwischen  dem 31. Januar und 13. Februar in ihren jeweiligen Rathäusern mit ihrer Unterschrift für das Volksbegehren stark machen, geht das Verfahren in die nächste Runde.

Mobilisieren wofür?

Das Volksbegehren Artenvielfalt möchte auf eine Änderung des bayerischen Naturschutzgesetzes hinwirken. Wirklich neu am Volksbegehren ist, dass hier nicht Front gemacht wird gegen ein einzelnes, mit Umweltschädigung verbundenes Großprojekt wie etwa die Abholzung Hambacher Forstes. Das Volksbegehren wendet sich auch nicht gegen die Zulassung eines Wirkstoffes oder einer bestimmten Wirkstoffgruppe zur Verwendung in der Landwirtschaft.

Das Volksbegehren ist ein Paket verschiedenster Maßnahmen, die im bayrischen Naturschutzgesetz rechtsverbindlich verankert werden sollen, um den Artenschutz stärken:

  • Vernetzung der bestehenden Biotop-Inseln zu bayernweit zusammenhängenden Schutz- und Lebensräumen.
  • kleinteilige Kulturlandschaften: Hecken, Bäume, Bäche in der Landwirtschaft erhalten
  • Gewässerschutz: blühende Randstreifen an allen Bächen und Gräben
  • Ausbau der ökologischen Landwirtschaft von derzeit 10% auf 30% bis 2030
  • Umwandlung von 10% aller Grünlandflächen in Blühwiesen (Mahd nach dem 15. Juni)
  • ökologische Bewirtschaftung aller staatlichen Landwirtschafts- und Forstbetriebe ab 2020
  • Naturschutz als Gegenstand im Ausbildungsplan von Land- und Forstwirten

Somit zielt das Volksbegehren auch auf deutlich mehr, als der griffige Titel „Rettet die Bienen“ vermuten ließe.

Pflanzen und Insekten: Es geht um die Diversität der Arten

Pflanzen und Insekten: Es geht um die Diversität der Arten

 

Unterschiedliche Positionen von ökologischen Vereinigungen und Bauernverband.

Initiator des Volksbegehrens ist die ÖPD (Ökologisch-Demokratische Partei) mit derzeit ca. 50 Bündnispartnern an der Seite, allen voran der Landesbund für Vogelschutz e.V. (LVB), der Bund Naturschutz (BUND) sowie die Grünen. Unterstützer sind u.a. auch die ökologischen Erzeugerverbände Demeter und Naturland sowie zahlreiche Imker-Vereinigungen.

Bayern, wo Milch und Honig fließen ***

Wenn die Befürworter des Volksbegehrens von einer Verbesserung des Naturschutzgesetzes schwärmen, der BBV (Bayerische Bauernverband) dagegen von einer erzwungenen „drastischen Verschärfung des Naturschutzgesetztes“ spricht, wird deutlich, welcher ideologische Graben sich hier auftut. „NEIN zum Volksbegehren – STOPPT das Bauernbashing!“ lautet dementsprechend die Gegenkampagne des BBV, unterstützt von den Freien Wählern.

Dass der BBV die geplanten Reglementierungen, welche die unternehmerische Freiheit der Landwirte einschränken, ablehnt, ist nachvollziehbar.

Weiterer Kritikpunkt des BBV Präsidenten Heidl – und das ist für mich der interessanteste Aspekt in der Diskussion um das Volksbegehren – ist die geplante Erhöhung des Anteils der ökologischen Landwirtschaft von jetzt 10% auf 30% bis 2030:

„…In einem Punkt beschreitet das ÖDP-Volksbegehren vollends einen Irrweg: Eine Ausdehnung des Ökolandbaus auf 20 bis 30 Prozent per Gesetz würde in einem Desaster für den Markt für regionale Bio-Erzeugnisse enden. Die Zahl der Öko-Betriebe in Bayern wird in Kürze die Marke von 10.000 überschreiten – eine erfreuliche Entwicklung, vor allem, weil der Markt bisher steigende Mengen gut aufnehmen konnte. Aktuell führen Molkereien aber lange Wartelisten mit Bauern, die auf Bio umsteigen wollen. Nun muss die Nachfrage nachziehen und sich weiter steigern. Statt per Gesetz einen Ökoflächenanteil zu verordnen, müssen wir erreichen, dass die Verbraucher beim Einkaufen von Bioprodukten auf die Herkunft achten und bevorzugt „Bio aus Bayern“ in den Einkaufswagen legen. Das ist die beste Bio-Förderung überhaupt. Das Potential ist da – denn bei der Bio-Milch werden noch über ein Drittel, bei der Bio-Butter über 40 Prozent Importware verkauft….“
(Walter Heidl, der Präsident des bayerischen Bauernbandes (BBV), in einem offenen Brief an die Initiatoren des Volksbegehrens Artenvielfalt)

Für den Liter Milch < 40 Cent***: Der Verbraucher ist gefordert.

1 Liter Bio-Vollmilch geht in der lokalen Aldi-Süd-Filiale für 1,05 € über den Scanner. Die Milch stammt aus Österreich. Die Biovollmilch der Molkerei Berchtesgadener Land (Naturland), die zahlreiche Ökobauern unseres Landkreises als Milchlieferanten unter Vertrag hat, kostet im lokalen Frischemarkt 1,29 €. Derzeit bekommt ein Bauer für Biomilch unter 50 Cent pro Liter, für konventionell erzeugte Milch unter 40 Cent.

Schlussendlich wird für uns in Bayern und anderswo auch ein erfolgreiches Volksbegehren, ein erfolgreicher Volksentscheid, das fortschrittlichste Naturschutzgesetz erst dann wirksam, wenn wir Verbraucher willens und in der Lage sind, beim Lebensmitteleinkauf an der Kasse die Kosten, die  umwelt- und tierfreundlich erzeugte qualitätsvolle Lebensmittel tatsächlich verursachen, in voller Höhe zu bezahlen. Ansonsten wird die Landwirtschaft um wettbewerbsfähig zu bleiben, einen Teil der Kosten, damit uns dieser erspart bleibt, auf die Umwelt umlegen. Den Kredit, den wir bei Natur und Umwelt nehmen, werden wir früher oder später zurückzahlen müssen.

Der ideale Hof: regional, bio, zero waste – bis zu vegan.

Als Kinder in den 80ern wurden wir mit der blechernen Milchkanne zum nächstgelegenen Bauernhof geschickt. Auf dem Rückweg haben wir mittels Rotation der Milchkanne am gestreckten Arm die Gesetze der Gravitation erforscht. Nicht immer kam ein ganzer Liter Milch zu Hause in der Küche an.

Inzwischen ist besagter Bauernhof auf die nächste Generation übergegangen und wurde auf ökologische Landwirtschaft umgestellt. Der Weg zum Hof ist ein beliebter Spazierweg für Groß und Klein, denn Hühner, Schafe, das Hausschwein und der Hofhund, die Kälber und 70 Milchkühe sind da zu finden. Im Hofladen gibt es Milch, Käse, Fleisch. Und für Veganer: Seit Jahrzehnten wird die Ernte der Streuobstwiesen zu Obstbrand verarbeitet.

In diesem Sinne: Let’s save the Bees! ****

//PLAYLIST//

**** Let’s save the Bees von FETTES BROT & CO

***   40 Cent von  LA BRASSBANDA/STOFFERL WELL

**     Hans de Humme von HUNDLING

*       Karl der Käfer von GÄNSEHAUT

//Ergänzende Links//

Gesetzesvorlage des Volksbegehren Artenschutz
Bayerischer Bauernverband (BBV) Offener Brief
Aktuelle Durchschnittsmilchpreise in Bayern

Die Copyrights für die Fotos liegen bei Steffi. Zum Vergrößern klicke sie einfach an.

Bitte teilt diesen Artikel, damit sich möglichst viele Menschen ein Bild vom Volksbegehren machen können. Dankeschön!

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9 Kommentare

  1. Bergblumengarten 9. Februar 2019 at 21:44 - Antworten

    Liebe Xenia,
    das meiste, was ich unter meinem Post zum Volksbegehren gelesen habe war…ach schade, dass es nur in Bayern ist und nicht in anderen Bundesländern. Um so erstaunlicher, dass du dich in Brandenburg mit dem Thema beschäftigst. Vielleicht wird es ja doch deutschlandweit zu Veränderungen kommen, vorausgesetzt es sind alle genau so engagiert wie in Bayern. Das ist schon Klasse, was in München am Marienplatz los ist und in meiner Region (Erlangen./ Nürnberg ..) sollen die 10 % schon geschafft sein. Ich freue mich riesig darüber.
    LG Sigrun

    • Berlingärtnerin 10. Februar 2019 at 14:14 - Antworten

      Hallo Sigrun,

      unsere Welt ist so klein und Bayern zu nah. Für mich ist wichtig, dass wir zumindest immer wieder informieren, damit sich jeder dann seine Meinung bilden kann. Mich hat Steffis Text wieder vor Augen geführt, wie wichtig unsere Rolle als Verbraucher ist. Nur wenn wirklich ALLE an einem Strang ziehen, machen wir unsere Welt zu einem besseren Platz.

      Frohe Grüße nach Franken und Glückwunsch zum regional erreichten Ziel!

  2. Bea 9. Februar 2019 at 09:59 - Antworten

    Liebe Steffi, liebe Xenia,
    Danke für diesen Beitrag mit Übersicht zu dem Aufruf zum Volksbegehren in Bayern! Ich finde es bemerkenswert dass sich in Bayern so viele Menschen nicht nur Gedanken machen, sondern auch sehr konkret werden.
    Vor vielen Jahren hieß es dass, wenn die Menschen alles auf der Erde zerstört hätten, die Insekten durch ihre Anpassungsfähigkeit als letzte noch übrig blieben. Heute hat es sich gezeigt, dass wir uns selbst darauf nicht verlassen können. Das macht mir ebenfalls große Sorgen.
    Selber versuche ich mit meinen wenigen Möglichkeiten etwas beizutragen und werde auch weiter bestrebt sein, die Mini-Ökologie unseres Gartens so wenig wie möglich zu stören.
    Mit großem Interesse werde ich weiter verfolgen wie in Bayern weiter geht, und es freut mich um jedes Ergebnis das erreicht wird um unsere Artenvielfalt und nicht zuletzt unseren gemeinsamen Lebensraum zu erhalten.

    Herzliche Grüße,
    Bea

    • Berlingärtnerin 10. Februar 2019 at 14:10 - Antworten

      Liebe Bea,

      hab herzlichen Dank für deinen positiven Kommentar. Vor allem ist großartig, dass du selbst deinen Teil versuchst beizutragen zum großen Ganzen!

      Sei von Herzen gegrüßt!

  3. Daniela 29. Januar 2019 at 18:59 - Antworten

    Ich habe erst heute eine neue Wildbienen-Nisthilfe und Kokons der roten Mauerbiene bestellt. Letztes Jahr hatte ich den Eindruck, dass weniger Röhren besiedelt wurden als im Jahr zuvor. Auch ist in einigen Röhren wohl die Brut gestorben, sie wurden nicht geöffnet. Lags am späten Frost oder an Parasiten? Eine Rote Mauerbiene lebt nur 6 Wochen, darüber muss man sich mal klar werden, wie wenig Zeit die haben um für Nachkommen zu sorgen. Schade, dass sie nicht wenigstens bis zum Herbst leben dürfen!
    Liebe Grüße aus Niedersachsen nach Bayern und Berlin! ❤️️
    Daniela

    • Berlingärtnerin 30. Januar 2019 at 19:04 - Antworten

      Liebe Daniela,

      jetzt hab ich doch erstmal nach der Roten Mauerbiene gegoogelt. Ich weiß gar nicht, ob ich die jemals bei mir gesehen habe. Du bestellst die Kokons – wie spannend. Darüber würde ich gern mehr wissen.

      Herzliche Grüße nach Niedersachsen!

      • Daniela 30. Januar 2019 at 19:46

        Ich habe in einem Video von einem Garten-Youtuber gesehen, dass er Kokons zugesandt bekam. Das fand ich auch sehr spannend. Er hat sie hier her: http://www.wildbienen-lueder.de/ . Ich hoffe, ich darf hier den Link reinsetzen, das ist der Shop: https://www.etsy.com/de/shop/WildbienenLueder?ref=l2-shopheader-name
        Dort habe ich ein sogenanntes Starterset gekauft mit Nisthilfe und 15 Kokons in der unteren Schublade- klingt schon witzig. :-) Damit kann man sich sicher sein, dass sie sich gleich bei dir ansiedeln. Die Nisthilfen bestehen aus rausnehmbaren Elementen, die man teilweise an den Verkäufer zurückschicken kann, falls man mal „Platzprobleme“ bekommt, denn es werden ja immer mehr Bienen und man braucht dementsprechend mehr Raum für sie. Er verkauft dann die Bienenkokons an Obstbauern und du bekommst Ersatzmaterial für die Nisthilfe gegen eine kleine Gebühr.
        Ich bin schon sehr gespannt wie das so wird! Werde auf jeden Fall Fotos von den hoffentlich reich besetzten Röhrchen machen. :-)
        Liebe Grüße
        Daniela

  4. Ein Garten in der Steiermark 29. Januar 2019 at 17:36 - Antworten

    Danke fürs Vorstellen. Let´s save the Bees ist auch unser Motto… Als wir entdeckten, dass unsere Zierkirschen im Frühling so still waren, fiel uns aus, dass sie nicht von Bienen und Hummeln umgeben waren. seither achten wir auf bienenfreundliche Stauden und Gehölzer…

    • Berlingärtnerin 30. Januar 2019 at 18:57 - Antworten

      Das ist toll! Ich komme auch mehr und mehr zu den ungefüllten Blüten. Wo eine Staude oder Gehölz ausgetauscht werden muss, entscheiden wir uns für möglichst pollen- und nektarreiche Blüten. Letztes Jahr haben wir massiv mit Astern „aufgerüstet“.

      Liebe Grüße!

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