Der wieder auferstandene Garten: Heligan in Cornwall
Ein Artikel über meinen Besuch in den Lost Gardens of Heligan passt gut in die Zeit von Auferstehung und Neubeginn, sodass ich dir heute die Geschichte dieses verlorengegangenen und neu zum Leben erweckten Gartens erzählen möchte.
Gartengeschichten können großartig sein. Gartengeschichten können von Romantik, Leidenschaft und Hingabe erzählen. Die Geschichte der Gärten von Heligan ist eine unglaubliche und dennoch wahre, von Abenteuerlust bestimmte, Freude beseelte, unglaubliche Arbeit fordernde und letztlich vom Erfolg gekrönte. Das Märchen von Dornröschen käme mir in den Sinn, wenn nicht so viel zerstört gewesen wäre und es mehr als einen Kuss brauchte, um diesem Garten wieder Leben einzuhauchen.
Bei den Lost Gardens of Heligan handelt es sich um einen beeindruckend großen und mit exotischen Pflanzen gestalteten Landsitz in Cornwall, der 400 Jahre im Besitz einer aristokratischen Familie war und durch die Wirren des 1. Weltkriegs dem Zerfall überlassen wurde. Heute sind von den 400 mehr als 80 Hektar Gartenlandschaft wieder zu besichtigen. Wir besuchten Heligan im Rahmen eines Cornwall-Urlaubes und kamen zur perfekten Zeit: Ende April bis Anfang Mai. Die Rhododendren blühten, der berühmte Dschungel strotzte vor grün!
Hast du Lust, ein bisschen zu lesen? Dann erzähle ich dir die bewegte Geschichte dieses Gartens:
Aufstieg, Krieg, Verfall.
In der Tudorzeit war Heligan – der kornische Name bedeutet Weidenbaum – in den Besitz der Familie Tremayne gekommen. Das Anwesen entwickelte sich zu einem eigenen, autarken Kosmos mit Obst- und Gemüseproduktion, Landwirtschaft, Getreidemühle, Brauerei und Ziegelei. Zwischen 1780 und 1790 wurden die Gärten so gestaltet, wie sie heute wieder zu sehen sind – eine geheimnisvolle Mischung aus Zier- und Nutzgarten sowie wildem Dschungel. Und das bedeutete auch, ein ausgeklügelten Bewässerungssystem für die Seen im Dschungel zu schaffen und die vielen exotischen Pflanzen aus der ganzen Welt zu importieren. Man muss sich mal vorstellen, was das für einen Aufwand an Kosten und Manpower für ‚die schönen Dinge‘ bedeutete.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts arbeiteten über 20 Gärtner in Heligan, um die überaus anspruchsvolle Anlage in Schuss zu halten. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges endete die Glanzzeit: Die Gärtner mussten in den Krieg ziehen (viele kamen nicht zurück), das Haus wurde in ein Genesungsheim umgewandelt. Die Welt hatte Wichtigeres zu tun, als sich um Gärten zu kümmern.
Nach Kriegsende zogen die Tremaynes nach Italien, das Haus wurde an Freunde der Familie vermietet, die sich aber nicht um das Anwesen kümmerten. Heligan verwilderte, überwucherte komplett und geriet in Vergessenheit. Das Klima Cornwalls, das alle Vegetation so üppig gedeihen lässt, sorgte dafür, dass wirklich nichts mehr von der alten Pracht zu erkennen war.
Drei Prinzen küssten Heligan wach.
John Willis, ein Nachkomme der Familie Tremayne, erbte Heligan im Jahr 1990. Er traf per Zufall auf den 1987 nach Cornwall gezogenen holländischen Archäologen und ehemaligen Musikproduzenten Tim Smit und dessen Freund John Nelson. Die drei Männer beschlossen, Heligan zu altem Glanz zu verhelfen. Smit beschrieb später, wie er und Nelson sich mit der Machete durch das Gelände kämpften und wie schicksalhaft sich diese Begegnung anfühlte: Dem Abenteuer Heligan wollte er sich unbedingt stellen. Zusammen mit Willis begann er, 1991 mit einer Gruppe von Gartenbauspezialisten und vielen Helfern und Sponsoren, das Areal wieder in den Zustand der viktorianischen Zeit zu versetzen. Die britische Nation verfolgte dabei jeden Schritt in einer Fernsehserie auf Channel Four zur besten Sendezeit.
Typisch britisch: Heligan wurde 1999 in Großbritannien dann auch zum Garten des Jahres gewählt. Seit 1998 ist Heligan mit über 300.000 Besuchern im Jahr der meistbesuchte Garten Englands und für die Region um Mevagissey an der Ostküste ein bedeutender Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor. Für Cornwall-Urlauber ist Heligan ein Muss.
Rundgang durch den Garten. Dschungel in Europa.
Vorneweg: Wer Heligan besucht, sollte bequemes Schuhwerk anziehen, denn ein Gartenbesuch gleicht einer Wanderung. Es geht auf und ab, die meisten Wege sind uneben, Äste knorriger Bäume hängen in Stirnhöhe und laden freundlich zum Kopfstoßen ein. Zeit solltest du auch mitgebracht haben – es lässt sich locker ein ganzer Tag hier verbringen.
Ich beginne meinen Rundgang durch Heligan im berühmten Dschungel.
The Jungle entstand vor gut 150 Jahren in einem 300 m langen, tief eingeschnittenen Tal, als im viktorianischen England das Interesse an subtropischen Pflanzen erwachte. Vier durch einen Bach verbundene Teiche wurden im Tal angelegt. Eine unglaubliche Leistung für die Gärtner. Heute wie damals läuft man an den Hängen entlang, teilweise unter den riesigen Exemplaren von Bambus, Gunneras, Agaven, Baumfarn, Hanfpalmen und Rhododendren. Da das Mikroklima 5 Grad wärmer ist als sonst in Cornwall, finden die wärmebedüftigen Pflanzen hier gute Überlebensbedingungen. Ich musste immer ehrfürchtig an die Pflanzenjäger von damals denken, die diese Exoten nach England gebracht hatten.
The Lost Valley ist ein Eldorado für Tiere und schließt sich an den Dschungel an. Es ist geprägt von wunderbar grünen Alleen aus Eichen und Buchen sowie Kastanienhainen. Es gibt Fische in den Teichen, viele Brutvögel, Schmetterlinge sowie sechs Fledermausarten.
Das Verlorene Tal geht in die extensiv weidewirtschaftlich genutzten Teile Heligans über. Ich habe erfahren, dass für die Restaurierung kein schweres technisches Gerät verwendet wurde, sondern mit Kaltblütern die unzähligen umgestürzten Bäume entfernt wurden, um den Boden nicht zu sehr zu verdichten.
Die nördlichen Gärten.
Im Norden von Heligan House liegen die klassischen Zier- und Nutzgärten – alle Besucher freuen sich erst einmal über ‚bekanntes Terrain‘. Der gesamte Pleasureground ist ein von Hecken und Mauern unterteilter Ziergarten mit verschiedenen Gartenräumen.
Die zentrale Rasenfläche Flora’s Green ist von Rhododendren umgeben, die der Botaniker Joseph Dalton Hooker in den 1840er Jahren aus Sikkim im Himalaya mitbrachte. Sie zählen heute mit 60 m Durchmesser zu den größten Exemplaren der Welt.
Productive Gardens ist der Stolz der Anlage. In diesem Gemüsegarten werden heute mit den Anbautechniken der viktorianischen Zeit über 300 Obst- und Gemüsesorten erzeugt.
Am Rande der restaurierten Gewächshäuser stehen Zitrus- und Pfirsischbäume, Weinreben tragen üppig. Berühmt, da eine Besonderheit, sind die mit Pferdemist beheizten gemauerten Frühkästen zur Ananaszucht – sie sind die letzten erhaltenen Anlagen aus georgianischer Zeit. 1997 fand hier wieder die erste Ananasernet statt, gerade rechtzeitig, um der Queen eine zur Goldenen Hochzeit zu überreichen.
In Heligan wird übrigens konsequent ökologisch gegärtnert, es geht Smit wie auch bei seinem anderen Garten „Eden Project“ darum, Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit zu sein.
Berühmte Skulpturen.
Auf keinen Fall verpassen sollte man die beiden berühmten und wirklich magisch schönen Erdskulpturen der Künstlerin Susan Hill. Du findest The Mud Maid und The Giants Head direkt hinter dem Eingang am Woodland Walk Richtung Dschungel. Die Skulpturen sind flauschig grün bewachsen, sodass sie wie Fabelwesen wirken, die direkt mit dem Garten verwachsen sind.
Ich hoffe, ich konnte etwas Lust auf einen Besuch in Heligan machen, es lohnt sich richtig.
Hier geht’s zur Website von Heligan. Da findest du aktuelle Infos zu Öffnungszeiten, Preisen und Anreisetipps.