Das Interview: Gärtnermeisterin Barbara über den richtigen Baumschnitt
In meiner Reihe über spannende Menschen mit grünem Daumen möchte ich euch heute Barbara Gerlach vorstellen. Sie ist Gärtnermeisterin, Bloggerin und Baumversteherin, wie ich bei einem Treffen erleben durfte. Daher freue ich mich, dass sie auf berlingarten etwas von ihrem Wissen übers Baumschneiden mit uns teilt.
Liebe Barbara, stell dich doch bitte kurz vor.
Aufgewachsen bin ich in der Endverkaufsgärtnerei meiner Eltern im Münsterland. Schon als Kind war für mich klar, dass ich Gärtnerin werden wollte. Und das habe ich auch nie bereut. Über 30 Jahre bin ich als Gärtnermeistern selbstständig in der Gartenberatung und -gestaltung. Dabei ist mir wichtig, dass Mensch und Garten zueinander passen und der Garten ganz viele Pflanzen enthält. So ist er lebendig und bleibt immer spannend.
An Bäume habe ich jedoch mein Herz verloren. Sie sind für mich das Wichtigste im Garten und ich könnte stundenlang über sie reden.
Es ist dir ein besonderes Anliegen, über die richtige Behandlung von Bäumen zu informieren. Hast du in deiner Praxis einfach schon zu viele falsch geschnittene Bäume erlebt?
Leider viel zu oft. Und es macht mich immer sehr traurig. Oft ist es aus Unkenntnis. Leider passiert das aber auch durch Firmen, die im Gartenlandschaftsbau arbeiten.
Dazu weiß kaum jemand, dass unser Beruf nicht geschützt ist. Es kann sich jeder damit selbstständig machen, der will. Es wird keine gärtnerische Ausbildung gefordert, wie im Handwerk. Das ist ein großes Problem. Deshalb rate ich immer, vor der Auftragserteilung nach der Qualifikation zu fragen.
Die Gesunderhaltung unserer Bäume wird immer wichtiger. Durch die anhaltende Trockenheit und die heißen Sommer leiden sie sehr. Je gesünder ein Baum ist, umso widerstandsfähiger ist er. Und durch falsche Schnitte, vor allem Kappungs- und Starkastschnitte, wird er sehr stark geschädigt.
Eine kleine Frage am Rande: Heißt es eigentlich, „Bäume schneiden“ oder Bäume „beschneiden“?
Darauf gibt es keine richtige Antwort, man kann beides sagen. Ich spreche von „schneiden“.
Muss man als Hobbygärtner denn überhaupt zwingend einen Baumschnitt durchführen?
Regelmäßig geschnitten werden müssen zum Beispiel Formgehölze, Dachbäume, Spalierformen und etliche Obstgehölze, damit sie gut Früchte tragen. Bei allen anderen ist ein regelmäßiger Schnitt nicht erforderlich, wenn sie den richtigen Standort haben.
Eingreifen muss man immer, wenn es um die Sicherheit geht. Dann kann es auch erforderlich sein, Starkastschnitte durchzuführen. Ein weiterer Grund ist die Gesunderhaltung des Baumes, zum Beispiel durch Entfernen von sich reibenden Ästen.
Ganz wichtig ist ein Pflanzschnitt und sind in den ersten Jahren vielleicht weitere Erziehungsschnitte. Das hängt vom jeweiligen Baum ab. Bei einigen Bäumen sind weitere Schnittmaßnahmen in den ersten Standjahren notwendig, bei anderen nicht.
Wichtig ist, dass wir die Bäume beobachten und dabei lernen sie zu verstehen! Wenn der Standort, also Boden, Platzbedarf und Klima, zum Baum passen, wachsen die Bäume viel besser, ohne dass immer wieder geschnitten wird.
Als Grund für starken Baumschnitt höre ich oft, dass es an Platz für ein großes Gehölz mangele, oder man wolle den Baum verkleinern. Was sagst du dazu?
Durch einen Schnitt lässt sich das genetische Wachstum eines Baumes nicht verändern. Außerdem kommt es nach einem starken Schnitt hinterher meistens auch zu einem starken Wachstum.
Ein gesunder Baum ist immer im Gleichgewicht. Wurzel und Krone sind aufeinander abgestimmt. Wenn zu viele Äste weggenommen werden, gleicht der Baum das durch einen verstärkten Neuaustrieb wieder aus. Dann kommt es zu ungesundem Wachstum und oft auch zu Fäulnis. Der Baum wird langfristig geschädigt.
Wenn ein Baum zu groß wird, war es die falsche Entscheidung. Viele überlegen vorher nicht sorgfältig genug. Sie kaufen einen Baum, ohne zu überlegen, wie er denn wohl in 15 oder 30 Jahren aussieht.
Es gibt für jeden Standort den richtigen Baum. Manchmal ist es dann besser, den zu groß gewordenen Baum zu fällen und ein passenderes Gehölz zu pflanzen.
Diese verschnittenen Baumruinen sind wirklich kein schöner Anblick.
Wie furchtbar, diese Bäume sind ja für immer in ihrer natürlichen Wuchsform zerstört! Gibt es Tipps, Bäume richtig zu schneiden, die generell und unabhängig vom speziellen Gehölz richtig sind?
Ja, es gibt die allgemeinen Schnittregeln. Die gelten für jeden Schnitt, egal ob Straßenbaum, Obstbaum, Hausbaum oder Strauch.
- immer auf Astring in der auf dem folgenden Foto erkennbaren Richtung schneiden und diesen nicht verletzen
- keine Starkastschnitte (über 10 cm Durchmesser)
- auf einen ableitenden Ast schneiden, der mindestens 1/3 so stark sein muss wie der entfernte Ast (ein ableitender Ast ist ein nach oben wachsender kürzerer Ast/Zweig, der nach dem Schnitt die Funktion des längeren Astes übernehmen soll)
- keine Kleiderhaken stehen lassen
- kein Baumwachs verwenden
- während des Sägens immer wieder von Weitem den Baum anschauen und gut überlegen
- gutes Werkzeug für glatte Schnitte verwenden
- lieber auslichten, als oben einfach Äste abschneiden
- denn immer dran denken: nach oben hin ist immer genug Platz zum Wachsen
Ich beobachte in meinem Umfeld die größten Unsicherheiten, wenn es um das Schneiden von Apfelbäumen und Pflaumenbäumen geht. Was rätst du speziell bei diesen beiden Vertretern von Kernobst und Steinobst?
Mein Vater hat mit Obstbäumen gearbeitet. Er hat viel Fachkenntnis gehabt und konnte Apfelsorten zum Teil am Holz erkennen. Er hat immer gesagt: Kernobst schneiden und Steinobst möglichst wenig bis gar nicht.
Dazu gibt es mit Sicherheit viele verschieden Meinungen, aber Steinobst braucht nicht diesen regelmäßigen Schnitt zur Ertragssteigerung wie Kernobst. Bei Steinobst würde ich höchstens Auslichtungsschnitte machen – und das im Sommer. Sommerschnitt bremst das Wachstum und das ist bei Steinobst sehr wichtig.
Wer sich selbst nicht traut, einen sachgerechten Baumschnitt durchzuführen: An wen kann man sich wenden?
Wenn es sich dabei um Obstbäume geht, würde ich beim örtlichem NABU oder BUND nachfragen. Dort werden oft Streuobstwiesen betreut und vielleicht können sie jemanden vermitteln. Es gibt auch Fachbetriebe im Gartenlandschaftsbau, die Obstbaumschnitt anbieten. Das wichtigste ist, sich dabei gut zu informieren und kritisch zu hinterfragen.
In vielen Regionen werden auch Kurse angeboten. Dabei sind die Praxiskurse direkt am Baum immer am besten. So kann man selber lernen und hat seine eigenen Bäume besser im Blick.
Für die anderen Bäume gibt es mittlerweile Baumpflegefirmen, die sich darauf spezialisiert haben. Aber auch da ist es gut, kritisch zu bleiben. Wie gesagt: Es darf sich jeder damit selbstständig machen, der es möchte. Eine gärtnerische Ausbildung ist dabei leider auch keine Voraussetzung.
Ich würde immer nach der Qualifikation fragen. Baumkletterer sind nicht automatisch auch Baumpfleger. Mittlerweile gibt es aber auch einen anerkannten Abschluss. Er nennt sich Fachagrarwirt Baumpflege und ist mit einer Meisterprüfung gleichzusetzten.
Magst du uns noch deine Lieblingsbäume verraten, die du besonders gern in deinen Pflanzungen verwendest?
Das kommt auf die Gartengröße an. Wenn nur wenig Platz da ist, zum Beispiel im Vorgarten, verwende ich gerne Acer campestre ‚Nanum‘ als Kugelbaum. Das ist ein Feldahorn. Der gefällt mir gut, weil er ganz von alleine kompakt und nicht zu ausladend wird.
Zieräpfel sind schöne kleinkronige Bäume, wenn etwas mehr Platz da ist. Bei größeren Gärten pflanze ich gerne Obstbäume als Hochstämme oder z.B. Sophora japonica, den Schnurbaum.
Durch die starke Klimaveränderung ist im Baumsortiment gerade ein großer Umbruch. Da wird sich sehr viel verändern.
Herzlichen Dank für das Interview und deine wertvollen Tipps, liebe Barbara!
Weitere Infos von Barbara findest du auf ihrem Blog Hortus Vivendi.
Copyrigth Fotos: Barbara Gerlach