Interview: Wie entsteht eine Ikebana Ausstellung auf einer Gartenschau?
Ein Interview mit meiner Ikebana Lehrerin Renate Murawski, die am letzten Wochenende auf der IGA Berlin 2017 an der großen Ikebana Show teilgenommen hat und uns einen Blick hinter die Kulissen gewährt.
Auf der IGA Berlin hat vom 24.-27.08. eine beeindruckende Ikebana-Ausstellung des Ikebana Bundesverbands stattgefunden. Bitte erzähle doch kurz, was der Bundesverband eigentlich ist.
Der IBV ist die größte Vereinigung von Ikebana-Lehrern und -Schülern in der Bundesrepublik Deutschland. Seine Mitglieder im In- und Ausland gehören den verschiedensten lkebana-Schulen und -Gruppierungen an. Er ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein und alle aktiven Mitglieder arbeiten mit hohem Einsatz ehrenamtlich*.
Du selbst bist Ikebana Lehrerin der Sogetsu-Schule in Berlin und Brandenburg/Falkensee (Link hier). Was treibt dich persönlich dazu, dich für so eine Ausstellung zu engagieren?
Für diese Antwort musste ich direkt etwas länger überlegen, weil es erstmal so ist, dass man ganz viel Arbeit und Kosten hat und am Ende vielleicht ein bisschen Anerkennung bekommt.
Ganz am Anfang fragte mich vor vielen Jahren meine Ikebana Lehrerin, ob ich an einer kleinen Ausstellung teilnehmen möchte. Wir machen jetzt fast jedes Jahr eine Ausstellung zum Wochenende der offenen Gärten in Berlin-Zehlendorf in der Villa Donnersmarck. So bin ich da irgendwie hineingewachsen. Aber ich glaube, es hat auch ein bisschen mit der Persönlichkeit zu tun. Ikebana ist meine Leidenschaft und ich mag diese Kunstform gerne anderen Menschen weitervermitteln. Schönheit ist etwas, was jeder Mensch gebrauchen kann, auch als Gegensatz zu der Gewalt, mit der wir leider konfrontiert sind. Ich vermute auch, dass ich einfach einen Teil von dem, was ich gelernt habe und was ich kann, meinen Mitmenschen präsentieren möchte.
Spannend ist für uns natürlich, wie es hinter den Kulissen so eines Mammutprojekts aussieht: Wie haben wir uns die Planungen und Vorbereitungen vorzustellen?
Die ganz große Planung liegt in den Händen des Ikebana Bundesverbandes. Dort gibt es Beauftragte, alle ehrenamtlich, die sich mit dem ganzen äußeren Umfang beschäftigen. Ute Grave ist ganz wesentlich daran beteiligt, dieses Mammutprojekt zu organisieren und so wie ich von ihr weiß, war sie schon seit zwei Jahren damit beschäftigt.
Das einzelne Ausstellungsstück arbeitet und organisiert jeder für sich alleine. Eine Form der Inspiration kommt durch das Thema der Ausstellung: “Japanische Blumenkunst in Farbe, Form und Linie”.
Meine persönliche Idee zu der Ausstellung stand im Zusammenhang mit meiner verstorbenen, japanischen Freundin, an die ich unbedingt erinnern wollte. Wir haben zusammen Ikebana gelernt und auch nach unserer Ausbildung viel zusammen unternommen, vor allem haben wir gemeinsam Ikebana Kurse in ihrer Wohnung angeboten. Mein Objekt war in den Farben der japanische Flagge gehalten, das alte, japanische Gefäß hatte mir meine Freundin geschenkt.
Mir war egal, ob es jemandem gefiel, es war einfach mein ganz starkes Bedürfnis, an sie zu erinnern.
Das ist dir gelungen, Renate, das Objekt war wunderschön und wäre eine Freude für Harue gewesen.
Mal ganz konkret zur Organisation: Wie schafft ihr es, die ganzen Stellagen, Gefäße und auf den Punkt perfekten Blumen heranzuschaffen und wem gehören die eigentlich? Ich hatte eine deiner tollen Keramiken entdeckt…
Das muss tatsächlich jeder selbst organisieren. Ich hatte ja zwei relativ große Objekte, die habe ich mit meinem Anhänger am Auto herangeschafft. Da jeder seine spezielle Idee hat, was er dort ausstellen möchte, muss man sich natürlich das Blumenmaterial auch selber besorgen.
Am Ende der Halle stand ein großer Kühlcontainer, dort konnten wir unsere Blumen die Woche über reinstellen, damit sie nicht so schnell verwelken. Es sollte vor allen Dingen auch immer etwas Blumenersatz da sein, weil im Laufe der Tage mal etwas verwelken könnte. Davon konnten wir auch etwas für die Workshops verwenden.
Habt ihr die Gestecke vor Ort angefertigt?
Die größeren Installationen bereitet man in der Regel vorher zu Hause zu, aber die Blumengestecke wurden vor Ort angefertigt. Wir konnten am Montag vor der Ausstellung damit beginnen. Ich fand es ganz nett, dass uns Besucher der IGA dabei zusehen konnten und beobachten, wie sowas funktioniert.
Es gab auffällig viele große Kreationen mit ungewöhnlichen Materialien wie Lampenschirmen, Sesseln, Fadenvorhängen und vieles mehr. Habt ihr da neben den Blumenscheren auch die Bohrmaschine im Gepäck?
Die “Ikebanisten“, die zu großen Objekten neigen, sollten diese Dinge auf jeden Fall dabei haben. Ich habe immer einen sehr großen Werkzeugkoffer mit.
Alle Fotos vergrößern sich durch anklicken.
Wie aufwändig war dann der Abbau?
Da ich meine Teile auf den Hänger laden und vertäuen mußte, hatte ich so meine Befürchtungen, weil der Betriebshof relativ klein war. Aber es lief alles sehr ruhig und glatt ab. Es waren viele Helfer dabei und viele davon waren sicher schon “Abbau-Profis”.
Der Ikebana Bundesverband ist schon seit vielen Jahren auf fast jeder BUGA oder IGA mit einer Ausstellung dabei.
Ikebana ist eine sehr traditionelle Blumenkunst. Gibt es dennoch den „Trend 2017“?
Einen bestimmten Trend in jedem Jahr kenne ich nicht. Allerdings ist es so, dass unsere Sogetsu Schule in Japan dazu neigt, mit großer Pflanzenfülle zu arbeiten. Unsere Headmasterin, Akane Teshigahara, führt gerne riesige Installationen auf der Bühne vor. Da diese Schule eine moderne Ikebana Schule ist, hat jeder die Möglichkeit, seinen eigenen Stil auszuleben.
Am Samstag habe ich dich beim Workshop mit Besuchern beobachtet. Du hättest wie eine Krake zehn Arme gebrauchen können: Wie zufrieden wart ihr mit dem Zuspruch auf euer Angebot?
Oh ja, die Nachfrage nach den Workshops war unheimlich groß, was uns natürlich sehr gefreut hat. Ursprünglich war geplant, dass an jedem Tag ein Workshop stattfindet. Damit wir dem großen Andrang gerecht werden konnten, haben wir spontan noch einen zweiten Workshop jeweils angehängt. Mehr ging nicht, weil wir auf die Termine achten mussten, die nach diesen Workshops stattfanden. Bei der nächsten großen Ausstellung, die wahrscheinlich in Süddeutschland stattfinden wird, werden wir das auf jeden Fall berücksichtigen und von vornherein mehr Workshops einplanen.
Welchen Weg, Ikebana weiter auszuprobieren, empfiehlst du Interessenten?
Gerade in Berlin gibt es eine Menge Ikebana Lehrer, da kann man sicher in einem passenden Bezirk etwas finden. Auf unserem Blog von Ikebana International, Chapter Berlin, gibt es eine gute Übersicht über Berliner Lehrer.
Auf der Homepage vom IBV (Ikebana Bundesverband) sind die Lehrer aus Deutschland nach Postleitzahlen aufgeführt, allerdings nur die, die auch Mitglied sind.
Auch bei YouTube findet man einige Filme über die verschiedenen Arten von Ikebana, aber die meisten sind nach meiner Meinung aufnahmetechnisch nicht so gut, dass man erkennen kann, wie Ikebana wirklich funktioniert. Ich wollte z.B. auch gerne mal ein Gesteck aus einer mir fremden Ikebana Schule anfertigen. Aber leider war der Aufbau nicht gut erkennbar.
Ich denke, es ist auch nicht so einfach, solch einen Film herzustellen. Ich würde es gerne selber mal probieren, brauche aber jemanden, der ein wenig mit einer Videokamera umgehen kann und da fehlt es leider dran.
Einige Ikebana Lehrer bieten Fernunterricht über das Internet an, ich mache das übrigens auch. Durch die Möglichkeiten der Technik heutzutage kann man mit einem Smartphone sehr schön das eigene Gesteck fotografieren oder filmen, so dass eine passende Korrektur stattfinden kann. Ein Freund von mir hat so Ikebana bei einer Lehrerin in München gelernt.
Viele Besucher haben angefragt, ob es auch im Ostteil der Stadt Berlin Angebote von Ikebana Unterricht gibt. Leider ist es nicht so, denn in der alten DDR wurden keine Ikebana Lehrer ausgebildet, so dass es keine gibt.
Aber durch die Anregungen und Nachfragen der Ausstellungsbesucher werde ich mich mit dem Thema beschäftigen. Ich denke über Workshops in bestimmten Bezirken nach. Vielleicht hat von den interessierten Lesern jemand eine Idee, wo es günstig Räume geben könnte, um Ikebana Workshop anzubieten.
Das wäre natürlich toll, ich drücke die Daumen. Ganz lieben Dank für diesen spannenden Einblick, liebe Renate.
Herzliche Grüße an alle deine kreativen und aktiven Kolleginnen und Kollegen. Zur Auswahl der Objektfotos ist anzumerken, dass sie keine Art von „Ranking“ darstellen soll. Es geht mir lediglich darum, einen kleinen Querschnitt zu zeigen. Überdies hat sie auch damit zu tun, welche Kreationen sich im Gewusel der IGA überhaupt angemessen und ohne objektergänzende Besucherkörperteile fotografieren ließen…
*So beschreibt sich der Ikebana Bundesverband selbst:
“Zweck des IBV ist die Förderung der Kunst des Ikebana in Deutschland. Die im IBV eingeschriebenen Lehrkräfte sind verpflichtet, sich in der Wahl ihrer Lehrmethode, in den Unterrichtsinhalten und in der Durchführung von Ikebana-Prüfungen ohne Einschränkungen an die Lehrpläne und Prüfungsordnungen ihrer jeweiligen Schule zu halten.
Der IBV veranstaltet jährlich für seine Mitglieder einen Kongreß. Er dient als Forum gegenseitigen Kennenlernens und bietet die Möglichkeit, gemeinsam Ikebana zu üben und sich mit anderen Kunstformen auseinanderzusetzen. Das erlaubt auch, Einblick zu gewinnen in die verschiedenen Ikebana-Schulen mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten. Alle zwei Jahre richten die Mitglieder des IBV – in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband Gartenbau e.V. – eine große Ikebana-Ausstellung im Rahmen der Bundesgartenschauen bzw. der Internationalen Gartenschauen aus.”