Das Interview: Brigitte über das Pflegen und Schneiden von Clematis
In meiner Serie über Menschen mit grünem Daumen darf ich heute die Clematisexpertin und Bloggerin Brigitte interviewen. Clematis pflegen, Clematis schneiden – wie geht das eigentlich richtig? Und welches sind tolle Sorten und schöne Partner der Waldrebe?
Liebe Brigitte, stell dich doch bitte kurz vor.
Hallo, ich heiße Brigitte Niemela. Mit meinem Mann und unseren beiden erwachsenen Kindern wohne ich auf der wunderschönen Schwäbischen Alb. Die Gartenleidenschaft habe ich wohl von meiner Großmutter und meiner Mutter geerbt, beide begeisterte Gärtnerinnen. So durfte ich meine Kindheit in wunderbaren Gärten verbringen. Logischerweise freute ich mich riesig, als ich vor mehr als zwanzig Jahren meinen eigenen Gartentraum verwirklichen konnte.
Durch Gartenbücher und Zeitschriften habe ich mir sehr viel Wissen angelesen. Aber auch der Austausch mit anderen Gartenbegeisterten macht mir total Spaß. Hier gibt es ja so unzählige Möglichkeiten. Eine ist bei mir die Mitgliedschaft in Vereinen und diversen Pflanzengesellschaften. Aber auch auf den sozialen Medien tut sich so viel rund um grüne Themen.
Durch den Garten kam ich auch zum Fotografieren. Was anfänglich als Gedankenstütze für die winterliche Beetplanung gedacht war, entwickelte sich immer mehr zur zweiten Leidenschaft. Dadurch kam ich auf die Idee, meine Erfahrungen auf meinem Gartenblog clematisworld.de weiterzugeben.
Du hast einen wunderschönen Garten mit Buchs und Rosen und herrlichen Waldreben (Clematis). Richtig verwunschen sieht es bei dir aus. Wie kam es, dass du dein Herz an Clematis verloren hast?
Am Eingangstor zum Bauerngarten meiner Großmutter rankte eine Clematis Jackmanii über einen Bogen. Schon als kleines Kind konnte ich mich nicht sattsehen an der unglaublichen Fülle blauer Blüten, die je nach Lichteinfall in unterschiedlichen Schattierungen schimmerten. Seit dieser Zeit faszinieren mich diese Kletterpflanzen.
Das ist ja witzig: Auch bei meinen Großeltern wuchs die Jackmanii am Sitzplatz – meine erste Erinnerung an Clematis. Aber ich wollte dich nicht unterbrechen…
Bei manchen Clematis weisen die Blütenblätter eine so samtige Textur auf, dass man verleitet wird, mit den Fingern darüber zu streichen. Gerade die großen Blüten sind oft vollendet geformt: Gleichmäßige, sich überlappende Blütenblätter, von denen sich farblich kontrastierende Staubgefäße abheben. Aber auch die kleinblütigen Clematis versprühen einen unheimlichen Charme. Wenn dann noch Duft dazukommt, ist es einfach perfekt.
Was mir auch unheimlich gefällt, ist der Habitus der Pflanzen. Sie vereinen zarte und zerbrechliche Triebe mit einer unheimlichen Wuchskraft. Es wirkt so romantisch, wenn einzelne blütenbesetzte Ranken locker von einem Strauch oder einem Baum herunterhängen.
Außerdem gibt es wenige Pflanzengattungen, die über einen so langen Zeitraum ein Blütenspektakel bieten können. Vom April bis in den Oktober findet man blühende Sorten. In wintermilden Gegenden, in denen immergrüne Clematis gedeihen, noch viel länger. Auch der herbstliche Fruchtschmuck mancher Clematis ist sehr attraktiv.
Viele Gärtner sehen das auch so wie ich. Der Zauber hört allerdings oft bald auf, weil sie schlechte Erfahrungen machen. Viele Gärtner empfinden Clematis als zickig. Die Wahl der richtigen Sorte und einige Kniffe bei der Pflege können da viel bewirken.
Was ist denn die richtige Sorte? Welche EINE Clematis gehört deiner Meinung nach in jeden Garten und warum?
Da ist meine Antwort ganz eindeutig: In jeden Garten gehört eine Clematis viticella. Von denen gibt es verschiedene Sorten. Allen gemeinsam ist, dass sie unkompliziert in der Pflege sind, mit vielen Standorten zurechtkommen und überreich blühen. Kein Gedöns mit der Schnittgruppe. Das verwirrt viele Gärtner. Man schneidet sie jedes Jahr ratz fatz runter und sie wächst freudig auf knapp drei Meter und blüht mehrere Wochen im Hochsommer.
Clematis schneiden – das ist ein wichtiges Thema zum Start in die Saison. Das Thema „Schnittgruppe“ hast du gerade schon angedeutet. Es heißt, je nach Schnittgruppe seien ein paar Regeln zu beachten. Stimmt das? Ich mache es mir leicht, indem ich außer bei der Bergwaldrebe, der Clematis montana, die im Frühling blüht, bei allen anderen im Vorfrühling einen Rückschnitt auf Kniehöhe durchführe. Was denkst du: Frevel oder ok?
Das ist vollkommen ok. Der Schnitt der Clematis verwirrt viele Leute total. Sehr oft höre ich: ich habe vergessen zu welcher Schnittgruppe meine Clematis gehört und weiß nicht, wie ich sie schneiden soll. Generell kann man dazu sagen, dass noch keine Clematis eingegangen ist, weil sie zu viel geschnitten wurde. Deshalb keine Angst vor der Schere. Der Schnitt soll dafür sorgen, dass die Clematis gesund bleibt und auch im unteren Bereich Blüten ansetzt. Auch eine Clematis, die nie geschnitten wird, blüht. Aber eventuell so weit oben, dass man die Blüten nicht mehr genießen kann.
Eins ist besonders wichtig und das sollte man sich unbedingt merken. Es gibt Clematis, die am vorjährigen Holz blühen. Die dürfen im Frühjahr nicht geschnitten werden, sonst sind die Blüten futsch. Sie können aber nach der Blüte geschnitten werden. Andere blühen am einjährigen Holz. Diese schneidet man am besten jedes Jahr im Frühjahr stark zurück. Wir kennen das von den Hortensien. Da gibt es auch diese zwei verschiedenen Typen.
Ganz einfach kann man sagen:
Frühe Blüte – kein Schnitt oder nach der Blüte. Späte Blüte – starker Schnitt im Frühjahr.
Ab wann gilt eine Blüte als spät?
Je nach Klimaregion gibt es hier Abweichungen von mehreren Wochen. In milden Regionen können diese Clematis schon ab Mitte Juni blühen. Auf der Schwäbischen Alb fangen sie erst Ende Juni/Anfang Juli an.
Viele werden jetzt sagen, sie hat die Schnittgruppe 2 total vergessen. Ja und nein. Diese Clematis können zweimal im Jahr blühen. Im Mai/Juni blühen sie an den alten Trieben und im August/September nochmal an den neuen Trieben. Ich schneide diese Clematis ein paar Jahre hintereinander sehr wenig und entferne nur alte und abgeknickte Triebe. Nach etwa drei bis vier Jahren schneide ich sie stark zurück, um zu verhindern, dass sie von unten verkahlen. In diesem Jahr werden sie auch blühen, aber erst einige Wochen später als gewöhnlich.
Um nochmal auf deine Frage zurückzukommen, ob es Frevel sei, alle Clematis außer den frühjahrsblühenden kniehoch zurückzuschneiden. Wenn du eine Clematis aus der Schnittgruppe 2 hast, die du jedes Jahr auf 50 cm zurückschneidest, wird diese Clematis durchaus blühen. Sie bildet aber nur wenig mehrjähriges Holz aus. Folglich blüht sie später im Jahr. Die Chance, dass sie gefüllte Blüten ausbildet, ist viel geringer. Denn die gefüllten Blüten erscheinen bei den allermeisten Sorten am alten Holz.
Die Pflege der Clematis ist natürlich auch wichtig – gibt es außer den Schnittmaßnahmen weiteres, was du empfiehlst?
Wer mit Clematis Erfolg haben will, dem möchte ich vor allem drei Dinge ans Herz legen:
Geduld: Bitte erwartet von euren Clematis nicht ab dem ersten Jahr Höchstleistungen. Sie brauchen mindestens drei Jahre, bis sie eingewachsen sind und zeigen, was sie draufhaben.
Pflanzung: Drainage ist extrem wichtig. Clematis gelten als durstig. Staunässe können sie aber absolut nicht vertragen. Großblumige Hybriden sollten mindestens 5 cm tiefer eingepflanzt werden als im Topf. Werden sie von Welke befallen, können sie von unten wieder austreiben.
Pflanzschnitt: Ein oft vernachlässigtes Thema. Alle Clematis unabhängig von der Schnittgruppe profitieren von einem Pflanzschnitt. Dadurch wird die Pflanze angeregt, sich im unteren Bereich zu verzweigen und neue Triebe aus der Basis zu bilden. Die Triebe werden stärker und sind nicht so bruchanfällig.
Welcher Standort ist denn für eine Clematis richtig? „Waldrebe“ würde signalisieren, dass sie keine Pflanze für vollsonnige Plätze ist?
Unsere heimische Waldrebe, die Clematis vitalba, wird man vergeblich im Wald suchen. Vielmehr wächst sie immer am Waldrand. Ihre Wurzeln stehen dort im Schatten der Strauchschicht und die langen Ranken schickt sie nach oben der Sonne entgegen. Deshalb auch der vielzitierte Spruch „die Füße im Schatten, den Kopf in der Sonne“.
Generell kommen Clematis mit Ost- und Westlagen gut zurecht. Dagegen liest man sehr oft, dass Clematis Südlagen nicht vertragen. Dagegen sträube ich mich immer ein wenig. Meine Erfahrung ist, dass die meisten Clematis in sonniger Lage gut wachsen und sehr reich blühen. Unter einer Voraussetzung: Die Wasserversorgung muss stimmen.
Es gibt sogar einige Clematis, die in vollsonniger Lage besonders gut gedeihen. Hierzu zähle ich die Clematis aus der Flammula-Gruppe, Clematis terniflora und Clematis texensis. Die bekannte Sorte ‚Huldine‘ blüht beispielsweise in der Sonne auch besser als im Halbschatten.
Als klassische Partnerin für die Clematis gilt die Rose. Die schönen Fotos aus deinem Garten belegen dies auch eindrucksvoll. Was sollten wir bei dem Duo beachten und welche Pflanzen bzw. Gartensituationen profitieren noch von einer Waldrebe?
Es ist richtig, dass Rosen und Clematis ideale Pflanzpartner sind. Beide haben die gleichen Standortansprüche – nahrhaften, tiefgründigen Boden ohne Staunässe in sonniger bis halbschattiger Lage. Bei der Pflanzung sollte man der Rose ein bis zwei Jahre Vorsprung vor der Clematis gewähren. Gerade starkwüchsige Clematis, wie die Viticellas, könnten die Rose sonst überwuchern und ihr die Luft zum Wachsen nehmen. Hat die Rose erst eine gewisse Größe erreicht, ist das nicht mehr problematisch. Allgemein wird ein Pflanzabstand von knapp einem Meter empfohlen. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich das nicht einhalte und die Clematis auch relativ nahe an die Rose pflanze. Bisher hatte ich dabei nie Probleme.
Klassisch ist das Duo aus Kletterrose und Clematis. Aber auch Strauch- und Beetrosen sehen wunderbar aus, wenn sie mit Clematis kombiniert sind. Hier sind die niedrig bleibenden Staudenclematis ideale Partner.
Daneben gibt unzählige weitere Möglichkeiten, die dem Naturell der Schlingpflanzen entsprechen und sie wunderbar zur Geltung bringen. Da denke ich an die vielen Sträucher, die durch eine Clematis aufgewertet werden könnten. Schöne Kombinationen sind beispielsweise frühblühende Gehölze wie Schneeball oder Flieder mit einer Alpina oder Macropetala.
Sie blühen zur gleichen Zeit. Man kann aber auch die Blütezeit verlängern und eine sommerblühende Clematis als Partner pflanzen. Selbst in lockerwachsende, immergrüne Sträucher kann man Clematis klettern lassen. Hier würde ich eine Clematis aus der Schnittgruppe 3 empfehlen. Diese kann man schon im Spätherbst stark zurückschneiden und erleichtert damit dem gastgebenden Gehölz die Photosynthese in den Wintermonaten.
Ähnlich wie Ramblerrosen kann man die starkwüchsigen Montanas in Bäume leiten. Auf keinen Fall darf man dabei vergessen, dass diese Clematis bis 12 Meter hoch werden können und im vollbelaubten Zustand ein immensens Gewicht auf den Baum legen. Also bitte keine altersschwachen Bäume auswählen.
Findet die Clematis keinen Partner, an dem sie sich hochhangeln kann, wächst sie am Boden entlang. Auf diese Weise kann man sie als Bodendecker in einem gemischten Border einsetzen. Oder man pflanzt sie oben auf einer Mauerkrone und lässt sie nach unten wachsen.
Du siehst schon, es gibt unzählige Möglichkeiten. Warum nicht auch mal etwas Unkonventionelles ausprobieren? Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Wow, die Clematis kann also unsere geanze Kreativität herausfordern!
Magst du uns noch ein bisschen was über dich als Gärtnerin verraten? Welcher Gartentyp bist du?
- Rosa oder gelb? Rosa
- Gemüse oder Blumen? Blumen
- Unkraut oder Wildkraut? Unkraut
- Gartenhandschuhe oder Erde unter den Fingernägeln? Buddeln mit Handschuhen – Rosenschneiden nur ohne
- Gerade oder geschwungene Linien? Beides
- Entspannt oder immer auf Trab? Lieber in den Beeten wuseln
Und gibt es Gartenbeschäftigungen, die du am liebsten den ganzen Tag lang tun würdest?
Mit dem Schlauch gießen. Dabei stehe ich inmitten meiner Blumen, kann jede einzelne betrachten, meine Nase reinstecken und den herrlichen Duft genießen. Ein Traum.
Gießen? Da bist du wahrscheinlich eine Ausnahme. Ich höre die meisten nur genervt seufzen, wenn es ans Wässern geht. Gibt es denn Tätigkeiten im Garten, mit denen man dich jagen kann?
Nein, man muss mich schon eher vom Garten ins Haus jagen.
Welche drei Pflanzen außer der Clematis und welche Gartenutensilien würdest du in einen „einsamen Garten“ mitnehmen und warum?
Eine Rose, weil ich ihren Duft liebe. Außerdem müsste sie meine Clematis stützen.
Einen wintergrünen Farn, damit ich das ganze Jahr über etwas Grünes habe.
Narzissen, um mir die Zeit bis zur Rosen- und Clematisblüte zu verkürzen.
An Gartenutensilien würde ich eine Schere und eine Handschaufel mitnehmen. Damit könnte ich die wichtigsten Pflegearbeiten ausführen. Außerdem einen Spaten, damit ich die Ableger meiner oben genannten Schätzchen einpflanzen kann.
Herzlichen Dank für das Interview und dass du deine vielen wertvollen Tipps mit uns geteilt hast, liebe Brigitte. Wer in Kontakt mit dir bleiben möchte, findet dich auch auf Facebook und Instagram.
Copyright Fotos: Brigitte Niemela