Wie in England: keine Angst vor starken Farben
Bei der Kombination von Pflanzen und Farben ist es wie mit dem Spargelessen: klassisch mit Sauce Hollandaise, Kartoffeln und Schinken ist’s edel und geht immer. Aber so richtig Pepp kommt ins Spiel, wenn man neue Rezepte ausprobiert. Wie die Gartendesigner Englands. Teil 3 der Berichte einer England-Gartenreise.
Als in Deutschland noch hauptsächlich geranienrote Rosen mit Tagetes und Eisbegonien gepflanzt wurden, hieß es in den innovativeren Gartenzeitschriften: Machen Sie es wie die Engländer und kombinieren sie delikate Rose- und Mauvetöne. Auch ich bin so gartensozialisiert worden. In all meinen Gartenbüchern lächelten mir rosa Rosen mit Lavendel und Katzenminze entgegen. Also wählte ich bei meinen Pflanzungen Pastellfarben und kam mir raffiniert und elegant vor. Wie eine englische Lady eben.
Nicht schlecht habe ich daher gestaunt, als ich nun genau in England mit den starken, ja geradezu knalligen Farben konfrontiert wurde. Aufbauend auf einem grünen oder grauen Grundgerüst der Laubfarben fackelt der englische Gartengesigner der Spitzenklasse ein Feuerwerk an Leuchtkraft ab. Lustvoll werden Orange- und Rottöne miteinander kombiniert, lachsfarbene Rosen strahlen aus einem Bett grauer Artemisien heraus, rote einjährige Lobelien füllen Lücken, die Frühlingszwiebelblüher gelassen haben.
Farben des Sonnenuntergangs in Sissinghurst.
In der berühmten Anlage von Sissinghurst gibt es einen Gartenraum, in dem gelb, orange und rot nur so um die Wette leuchten. Rote Dahlien küssen gelbe Königskerzen. Roter Mohn versamt sich allenthalben. Besondere Akeleiensorten vereinen gelb und rot in einer Blüte. Und genau dieser Gartenbereich war der Lieblings- und Kraftort der Besitzer Harold Nicolson und Vita Sackville-West. Hier begann und endete jeder Gartentag in Sissinghurst. Vita schrieb über diesen Gartenraum: „… ein Wirrwarr von Blumen, aber alle im Spektrum der Farben, die man in einem Sonnenuntergang finden kann. Ich nannte ihn schon für mich den Sonnenuntergangsgarten, bevor ich überhaupt anfing, ihn anzupflanzen.“
Rot als Eyecatcher in gemischten Pflanzungen.
Okay, könntest du jetzt einwenden, da bleiben ja aber die starken Farben unter sich. Das stimmt. Aber schau dir das Foto der großen Rabatte des botanischen Gartens in Oxford (ganz oben im Beitrag) an: Brennende Liebe (Lychnis chalcedonica), auch Scharlachlichtnelke genannt, setzt hier kräftige Farbtupfer in die Pflanzung und trägt durch Wiederholung deutlich zur Rhythmik und Spannung bei.
Oder der Kiesgarten in Oxford. Ein bunter Mix der gesamten Farbpalette: Das ist doch Sommer pur. Ein starker Eindruck von Lebenskraft. Die Wirkung von Natürlichkeit, obwohl die Aussaaten komplett durchgeplant wurden.
Gertrude Jekyll kombinierte in Hestercombe zu rosa Pfingstrosen blauen Rittersporn und orange Lilien. Über diese Partnerschaften kann man lange diskutieren, sie lassen keinen der Besucher kalt. Und ist es nicht das, was ein Garten neben den zurückhaltenden, entspannenden Bereichen auch bieten soll: Anregung und Energie?
(Alle Fotos vergrößern sich durch anklicken.)
Innovative Konzepte durch Mut zur Farbe.
Meine Quintessenz nach dem Besuch der vielen verschiedenen Gärten ist, dass ich keineswegs alle meine pastellfarbenen Beete umkrempeln werde. Aber auf jeden Fall werde ich darüber nachdenken, wie ich durch den Einsatz kräftiger, vielleicht auf den ersten Blick disharmonischer Töne meinem Garten eine noch viel spannungsreichere und vor allem individuellere Note verleihen kann.
Ganz besonderes Augenmerk werde ich dabei nicht nur auf die Blütenfarben, sondern auf die Blattwirkungen legen. Die Basis an Farbe bildet das Laub, die Blüte bleibt Akzent.
Dieser Bericht ist von mir als Gast-Bloggering bei gartenmessen.de erschienen.