Kleingärten Oeynhausen: verraten und verkauft
So, nun ist es also verkündet.
Ein Immobilienentwickler geriert sich als nobel und am Gemeinwohl interessiert. Die Politik klopft sich anerkennend auf die Schulter und liefert der mitschreibenden Presse die Mär von hart erkämpftem Kompromiss und Bürgerwillenachtung. Sogar Kitaplätze, das klingt doch schön sozial. Ich sehe die lachenden Kinderaugen schon auf den Werbeprospekten für die 900 zu bauenden Wohnungen.
Und nun soll ich als „nicht Betroffene“ dankbar sein. Wer jetzt noch etwas Kritisches anmerkt, gehört zu den ewigen Nörglern. Schließlich wurde meine Scholle doch gerettet. Was den Gärten der 150 anderen geschehen ist, ließ sich ja nicht vermeiden, es handelt sich schließlich um Privateigentum, auf dem wir gärtnern. Und überhaupt: Geld regiert die Welt. Und Berlin braucht Wohnraum.
Dass wir aber die Hälfte aufgegeben haben, der Investor jedoch genauso viel bauen darf, nämlich doppelt so hoch, was ökonomisch viel attraktiver für ihn ist, fällt schnell unter den Tisch.
(Bitte entschuldige, dass ich hier nicht die ganzen Hintergründe schildern kann. Sie sind so kompliziert. Wenn du magst, lies hier mehr.)
Nein, danke, ich bin nicht dankbar. Jedenfalls nicht denen, die das jetzt erwarten.
Natürlich ist mir ein kleines Glück lieber als gar keins! Und ich danke allen von Herzen, die – ohne mächtige Lobby! – tapfer die Stirn geboten und einem übermächtigen Gegner am Ende 150 Gärten abgerungen haben. Aber ich habe und werde nicht vergessen, wie die Regierung von SPD und Grünen keine Möglichkeit ungenutzt gelassen hat, einem Investor in die Hände zu spielen, der das Areal als Kleingartenland erworben hatte. Kein Gutachten zu teuer, keine juristische Spitzfindigkeit zu abwegig: Hier wurde mit den härtesten Bandagen und eisernen Maulkörben gegen die Beibehaltung des Geländes als Gärten gekämpft.
Stolz bin ich darauf, dass wir so lange Widerstand leisten konnten. Der einfältige Laubenpieper ist genauso ein Klischee wie der an Umweltschutz interessierte Grüne. Letzterer entledigt sich einer kritischen Kollegin mittels Fraktionsausschluss. Wir haben uns unsere Solidarität nicht abkaufen lassen: Vor drei Jahren nicht, als wir alle den faulen Kompromiss abgelehnt haben. Und sogar jetzt nicht, als die eine Hälfte einen Tag vor Weihnachten den Brief mit der Aufforderung zur Räumung zum 31. Januar bekam. Still und ohne Aufhebens sollte das Weichen vonstatten gehen – das Überleben der anderen 50 % wurde zum perfiden Druckmittel. Unwürdig.
Unerwähnt möchte ich bei den Feierlichkeiten zum Kompromiss auch nicht lassen, dass die Groth-Gruppe das noch nicht beräumte Areal nicht zurückgeben wollte. Wir hätten dort gern eine Genossenschaft gegründet, denn Bebauungspläne lassen sich schnell aushebeln. Wir sehen es überall in der Stadt. Zitat des Vorsitzenden des Bezirksverbands: „Es ist traurig, aber ich muss sagen, dass kein Garten in Berlin sicher ist.“ Und, stell dir vor, auch die rund 150 übrig gebliebenen Gärtner wurden bereits darüber informiert, dass auch bei ihnen in den nächsten Tagen die Abschätzer vor der Gartenpforte stehen. Ein Schelm, der Arges dabei denkt.
Im Herbst wird in Berlin gewählt. Ich bin sicher, dass die 84.000 Menschen, die beim Bürgerentscheid für den Erhalt unserer Gärten gestimmt haben, sich daran erinnern werden, dass über 40.000 qm grüne Stadt hätten erhalten bleiben können. Und ihr Kreuzchen wieder an der richtigen Stelle setzen.
Ein interessanter Beitrag ist heute auch beim rbb erschienen.
[…] Ende April, Anfang Mai kann ich in unserem Garten eine private Tulipan-Schau veranstalten. Alles ist voll, herrlich! Dabei habe ich gedacht, dass es dieses Frühjahr weniger würde, da wir im letzten Herbst erstmalig keine neuen Zwiebeln gesetzt hatten – zu ungewiss war die Zukunft (mehr dazu lies hier). […]