Altes Pflanzenwissen neu entdecken: die Schätze des Klostergartens Maria Luggau
Altes Pflanzenwissen bewahren und sich auf die Heilkräfte der Natur besinnen: In Zeiten, in denen wir bei Krankheiten schnell zur Pille greifen, wächst das Interesse an Alternativen. Ich nehm dich heute mit in einen wunderschön angelegten Klostergarten.
Im dritten Teil der Serie über das Lesachtal geht es um den rekonstruierten Klostergarten der Serviten-Abtei Maria Luggau, durch den Ökologin Simone regelmäßig führt, die du schon aus dem Artikel über ihren Kräutergarten kennst. Der Klostergarten ist nicht nur attraktiv, sondern auch ein Eintauchen ins Denken des Mittelalters, das spannenderweise maßgeblich für unser heutiges Gesundheitswesen bis zu unseren Speiseplänen ist.
Alter Klostergarten neu zum Leben erweckt.
Mächtig thront die Klosteranlage über den Bauernhäusern des Ortes Maria Luggau im Kärntner Lesachtal. Sie steht, wo der einfachen Bäuerin Helena 1513 im Traum der Auftrag gegeben wurde, auf einem Weizenfeld eine Kirche zu erbauen – was sie tatsächlich durchsetzte; wow. Auch das gewaltige Kloster samt Klostergarten kamen dazu.
Was wir heute besichtigen können, ist die erst 2013 rekonstruierte Gartenanlage nach alten Stichen aus dem 17. Jahrhundert. Ein Klostergarten war vor allem ein formal aufgebauter Nutzgarten mit Gemüse und Heilkräutern, der Obstgarten war traditionellerweise auf dem Friedhof untergebracht.
Klostergartenführerin Simone war maßgeblich für die Planung der Beete zuständig und nimmt uns mit in eine Zeit, in der die Menschen keine modernen Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Medizin hatten, über diese verfügen wir erst seit circa 150 Jahren, und sich dennoch erstaunlich gut therapieren konnten.
Lange Tradition der Heilkunde.
Benedikt von Nursia, Ordensgründer der Benediktiner, hatte um 530 festgelegt, dass es die wichtigste Pflicht aller Mönche sei, Kranken zu helfen. Und zwar nicht nur den Angehörigen des eigenen Ordens, sondern allen Kranken, die im Kloster um Hilfe bitten. Die Caritas, die Barmherzigkeit, die dieser Regel zugrunde lag, bereitete der systematischen Medizin den Boden und führte dazu, dass Mönche und Nonnen über naturheilkundliches Alltags- und Erfahrungswissen und grundlegende Kenntnisse zur Wirkung von Kräutern und Heilpflanzen verfügten. Hildegard von Bingen ist bis heute in aller Munde.
Heute in die Denkweise der Heilkundigen des Mittelalters eintauchen.
Simone und ihre Mitstreiter standen also vor der Aufgabe, die Beete so zu füllen, wie es die Mönche und Nonnen damals wohl getan haben würden. Und darüber hinaus einen Garten anzulegen, der auch aus optischen Gesichtspunkten überzeugen kann. Sie orientierten sich dabei an der Denkweise der Heilkundler, die stark von Symbolik geprägt war. Wie sieht zum Beispiel eine Pflanze aus? Erinnert sie in der Form an ein Organ, in ihrer Farbe oder Beschaffenheit an einen menschlichen Zustand?
Man orientierte sich an den vier Elementen Luft, Feuer, Wasser, Erde wie schon Hippokrates die vier Temperamente Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker und Sanguiniker beschrieb. Qualitäten werden zugeordnet: Farben, Elemente, feucht/trocken, heiß/kalt. Mit solcher Einordnung versuchte man, die Gründe für gesundheitliche Probleme herauszufinden und ursächlich zu lösen. Es galt, das fehlende Element zu füllen und das überschüssige abzuleiten.
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Zuordnung der Pflanzen im Garten.
Im Klostergarten Maria Luggau gibt es rund um den Mittelpunkt der Anlage pro Element ein eigenes Beet. Welche Pflanze pflanzt man nun aber zu welchem Element?
Schauen wir uns das Johanniskraut exemplarisch an. Es trägt mit seiner gelben Farbe die Sonnensignatur in sich und wird daher dem Element Luft zugeordnet. Es sondert beim Zerreiben der Blütenblätter einen roten Saft ab – das Zeichen für Blut, das Schwere. Ist jemand schwermütig, geht jemandem etwas ‚an die Nieren‘, kann man Johanniskraut als stimmungsaufhellend einsetzen. Interessant, was auch unsere Sprache noch heute über die alten Vorstellungen von Medizin verrät: Seinerzeit galten die inneren Organe Leber, Herz und Nieren als Sitz von Gemütsbewegungen.
Das Mutterkraut als weiteres Beispiel hat Simone in das Beet des Elements Erde gepflanzt: Mutter Erde. Die Blütenfarben weiß und grün stehen für das Gedeckte dieses Elements. Weiß leuchtet auch das Licht des Mondes. In jeder Sprache außer dem Deutschen ist der Mond weiblich, also Mutter Mond. Das Mutterkraut hilft, Wehen zu verstärken oder Migräne zu verhindern.
Mischung aus Pflanzenwissen, Geschichte, Medizin.
Während der Führung wird mir klar: Einen Klostergarten anzulegen und mit den richtigen Pflanzen zu bestücken, wie er hier inhaltlich und optisch so überzeugend gelungen ist, ist eine sehr herausfordernde Aufgabe. Es gilt, sich nicht nur mit den Ansprüchen der Pflanzen zu beschäftigen, wie wir es in unserem Garten tun, sondern etwas über Medizin zu wissen, Naturheilkunde in ihren verschiedenen Ansätzen zu verstehen, sich mit der Symbolik der Pflanzen zu befassen, sich geschichtlich zu bilden. Zum Beispiel steht das, was in den Beeten angebaut wurde, neben der klösterlichen auch in der Tradition der Landgüterverordnung Karls des Großen aus dem 9. Jahrhundert. Diese sollte die Versorgung seines großen Hofs mit Obst, Gemüse und Heilkräutern sichern, mit dem er sich laufend auf Reisen befand. Als Ergebnis setzten sich in seinem Riesenreich bestimmte Nahrungsmittel durch und wurden auch da verfügbar, wo sie traditionellerweise nicht angebaut wurden.
Im Klostergarten Luggau stehen Kräuter, Gemüse und Blumen in wunderbarer Harmonie beieinander: Heilpflanzen neben symbolischen wie Madonnenlilie und Rose neben Kürbis, Kartoffel & Co. Denn wie sagten schon Hippokrates und später Hildegard: Die Nahrung sei dein Heilmittel. Außerdem soll man den Menschen gesund halten, nicht erst Krankheiten behandeln.
Wer eine andere Art von Urlaub und Stille und Einfachheit in großartiger Natur sucht: in Maria Luggau gibt es die Möglichkeit zum Klosterurlaub.
Ich habe mir nach dem Besuch einen dicken Ratgeber Die Kräuter in meinem Garten zugelegt, in dem über 500 Heilpflanzen und ihre Verwendung beschrieben sind. Denn wie ich im Küchengarten das anpflanze, was wir am liebsten essen, werde ich an Heilkräutern diejenigen ansiedeln, die zu unseren häufigsten Wehwehchen passen.