Gekonnte Gestaltung eines Schrebergartens: Alexandras Kleinod
Besuch in einem Berliner Kleingarten, der in Gartenräumen gestaltet ist – einer schöner als der andere.
Wer vor der wogenden Blütenpracht steht und das Gartengedicht liest, kann sich nicht vorstellen, wie es hier noch vor fünf Jahren aussah. „Am Anfang war hier nichts“ – ja wenn es mal so simpel gewesen wäre. Als Gartenstammtisch-Freundin Alexandra die Parzelle in einer Kolonie im Berliner Südwesten übernahm, war klar: Hier war nicht nur nichts, worauf sich gärtnerisch aufbauen ließe, hier wuchs das Gestrüpp seit Ewigkeiten ungehindert, hier steckte der Boden voller Entsorgungssünden der ganzen Umgebung. Aber auf einen Garten in weniger desolatem Zustand warten? Das hätte bei den vollen Wartelisten noch Jahre gedauert. Also ran an die Arbeit, auch mit schwerem Gerät. Der Dschungel wurde gerodet, kubikmeterweise alter Boden ausgehoben und abgefahren, neuer ausgebracht. Am Ende hatte Alexandra sich wirklich eine freie Fläche erarbeitet, das Abenteuer Gartengestaltung konnte beginnen.
Gartengestaltung lernen: per Kursus und Lektüre.
Den Kopf voller Ideen, aber gärtnerischer Neuling, lieh sich Alexandra erst einmal allerlei Fachlektüre und buchte einen Gartengestaltungskurs. Die geschickte Aufteilung in Gartenräume sowie die Pflanzkonzepte entwickelte sie dort. „Wir stehen jetzt im Vorgarten“, sagt sie, als ich zur Gartenpforte hereinkomme und die üppig-lässigen Beete links und rechts des Weges mit Gräsern, Stauden und Rosen bewundere. In ihnen wird durchgeblüht, die Pflanzen wie der Staudenknöterich sind robust und so wüchsig, dass es jetzt nach wenigen Saisons schon ans Bändigen geht.
Um den Pflanzen beste Bedingungen zu schaffen und selbst vom Gießen entlastet zu sein, hat Alexandra von vornherein eine Bewässerungsanlage installiert. Das lohnt sich bei unseren in Berlin immer trockeneren Sommern insbesondere bei Schrebergärtnern, die nicht täglich vor Ort sein können.
Um ins nächste Gartenzimmer zu gelangen, den Gemüsegarten, ist interessanterweise eine kleine Spalieräpfel-Barriere zu umgehen, die der ansonsten geraden Linienführung einen kreativen Twist verleiht. Du erkennst es auf dem nächsten Foto: Der direkte Weg zur Laube ist durch die Äpfelreihe unterbrochen.
Kleingärtnerische Nutzung? Aber ja!
Es ist für Alexandra gar keine Frage, dass sie auch Obst, Gemüse und Kräuter gemäß der „kleingärtnerischen Nutzung“ anbaut. Ihr klassisch viergeteilter Gemüsegarten ist bildschön und bietet auch jetzt noch viel für die Küche: Kräuter, Gemüse und bunte Bauerngartenblumen strotzen nur so vor Farbenfreude und Vitalität – ein Vorteil des guten Bodens, in den Alexandra anfänglich investiert hat.
Ein besonderer Tipp der kochbegeisterten Gärtnerin: Möhren, Sellerie, Porree und Liebstöckel anbauen und zu eigenen Brühwürfeln verarbeiten. Dazu je einen Teil der einzelnen Gemüse mit einem Teil Salz pürieren und mit Liebstöckel abschmecken. In Eiswürfelformen füllen, einfrieren und das ganze Jahr über für Suppen, Soßen und Eintöpfe genießen.
Garten-Wohnzimmer mit gemischten Beeten und Rasen.
Hereinspaziert ins Wohnzimmer, die Chill-out Lounge, den Salon oder wie sonst man den von Buchenhecken umstandenen nächsten Raum nennen möchte – Letzteres würde besonders gut zu Alexandra passen, da sie auch einen betreibt, um Menschen zum Gespräch zusammenzubringen.
Hier bilden die dunkelgrüne Laube mit der Sitzgruppe um einen Esstisch sowie der Bereich mit Liege und Sonnenschirm einen heimeligen Wohlfühlort. Eigentlich ist die Laube ein schlichtes Baumarktmodell, aber mit dem schönen Anstrich und der liebevollen Innengestaltung wirkt sie dennoch sehr geschmackvoll. Farblich stimmig kombiniert mit der Liege sowie den Stühlen bis hin zum Vogelhäuschen merkt man gleich, dass hier jemand mit Sinn fürs Schöne zu Hause bzw. im Garten ist.
Die Pflasterung der Ruheinsel hat sich Alexandra übrigens von einem Fachmann legen lassen, der ihr bei einem unserer Gartenstammtische Berlin-Brandenburg empfohlen wurde. Wofür so ein Austausch doch nutze ist…
Die Beete sind mit einer Mischung aus Gehölzen, Stauden, Gräsern und Zwiebelblühern gestaltet. Auf der sonnigen Seite strahlen auch jetzt noch die Astern, auf der schattigeren wollte die Pflanzung nicht so, wie die Gärtnerin. Nach zwei Jahren Unzufriedenheit hat sich Alexandra nun für einen Mini-Teich entschieden, um die Stelle, an der nichts gedeihen wollte, umzufunktionieren.
Viel Raum für Ideen.
Neben den echten Gartenräumen geht es in diesem Garten auch um ganz viel Raum für Fantasie. Dass Alexandra als Juristin in einem internationalen Konzern tätig ist, würde man nicht vermuten. Dieser Schrebergarten ist Spiegel ihrer kreativen Seite – mit dem monatlich wechselnden Gartengedicht, schnuckeligen Accessoires wie Krönchen, Phantasiefiguren sowie kleinen Füchsen auf Maske und Gardine. Und den Garten-Ideen wie der Freiluft-Dusche hinter der Laube, den Beetabgrenzungen aus Stammscheiben oder dem praktischen Arbeitstisch im Gewächshaus.
Alexandras Kleingarten ist mit seinen 230 Quadratmetern ein Großgarten an Hingabe, Gestaltungsfreude und Schaffensdrang, sodass ich nur jedem empfehlen kann: Mach es wie sie, keine halben Sachen, verwirkliche deinen Traum.
Allen Lyrikfreunden hier zum Genuss noch Alexandras Gartengedicht von Rainer Maria Rilke, 1902 in Paris verfasst:
Herbsttag
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.