Tintinhull House & Garden: Gartenräume, Gartenträume.
Ein Rundgang durch einen der berühmten ‚kleinen‘ Gärten Englands: Tintinhull. Im Sommer ist er das Paradebeispiel für gelungene Farbkonzepte, aber auch im Frühjahr hat er schon viel zu bieten – ganz besonders überzeugt die Aufteilung in verschiedene Gartenräume.
Ich kenne den Englischen Garten Tintinhull ungefähr genauso lange wie meinen eigenen; die Gartengestalterinnen Phyliss Reiss und Penelope Hobhouse sagten mir bereits etwas, noch bevor ich etwa vom Potsdamer Staudenpapst Karl Foerster je gehört hatte.
Penelope Hobhouse‘ Buch Meine Leidenschaft – der Garten war nämlich der erste Gartenbildband, den ich mir überhaupt gekauft habe. Ich hatte soeben erfahren, dass ich einen Schrebergarten bekommen könnte und meinem bescheidenen Naturell entsprechend meinte ich, dass die ausgeklügelten Pflanzbeispiele aus diesem großartigen Herrenhausgarten genau meine Kragenweite wären. Think big and beautiful.
Klar, jetzt grinsen wir beide, aber Tatsache ist, dass genau dieses Buch es war, das die Idee zu meinem üppigen Gartenstil hat entstehen lassen. Und seitdem träumte ich davon, mir Tintinhull live und in Farbe ansehen zu können.
Bei meinem letzten Urlaub in Somerset war es dann soweit: Wir machten uns auf den Weg, diesen besonderen Garten zu besuchen. Es war Ende März, so dass der Garten leider nicht mit seinen besonderen Pflanzkonzepten und Farbzusammenstellungen auftrumpfen konnte, aber die klare Aufteilung des Gartengeländes kam umso besser zur Geltung.
Gartenräume, Gartenträume.
1933 kaufte die gärtnerische Autodidaktin Phyllis Reiss zusammen mit ihrem Mann Tintinhull House, einen Herrensitz aus dem 17. Jahrhundert. Für englische Verhältnisse war es mit nur 4000 m² von einem sehr kleinen Garten umgeben. Phyllis machte sich daran, das Grundstück in verschiedene Gartenräume zu unterteilen, so wie sie es im damals schon berühmten Hidcote Manor bewundert hatte. Sie nahm sich nach und nach einzelne Bereiche des Grundstücks vor. Ihr Ziel war, zu jeder Jahreszeit einen reizvollen Garten erleben zu können, der mit seinen abgestimmten Farben überzeugt und unterschiedliche Gartenstiele in sich vereint.
Phyllis Reiss gärtnerte hier bis 1954, stiftete dann den Garten dem National Trust, blieb als Pächterin aber bis zu ihrem Tod 1961 in Tintinhull wohnen. Anschließend übernahm der bekannte Rosenexperte Graham Thomas die Leitung. Von 1979 bis 1993 wurde Penelope Hobhouse Chefgärtnerin und experimentierte hier mit ihren Farbkonzepten und entwickelte Phyliss‘ Schemata weiter. Das Buch Farbe im Garten ist der Klassiker zum Thema Farbzusammenstellung geworden. Sie war ebenfalls Autodidaktin, entwickelte sich aber zu einer der bekanntesten und gefragtesten englischen Gartengestalterinnen unserer Zeit, die besonders viel in den USA gearbeitet hat. Inzwischen ist sie fast 90 Jahre alt.
Ein Gartenrundgang.
Tritt man aus dem Haus, ergibt sich eine lange Sichtachse durch den gesamten westlichen Teil des Gartens. Er besteht aus drei hintereinander liegenden Gartenräumen, die durch Eibenhecken voneinander getrennt sind.
Zuerst schaut man in den so genannten Adlerhof. Er ist der älteste Teil der Anlage, stammt noch aus dem 18. Jahrhundert und hat seinen Namen von den beiden steinernen Adlern, die auf Stelen jenseits des Gartenwegs thronen. Beeindruckend sind die großen halbrunden Buchsbäume, die den Weg flankieren. Es schließt sich der Azaleengarten an, der aber nicht mehr von Azaleen, sondern mediterranen Pflanzen bestimmt wird. Dahinter, sehr sehr schön, der Fontänengarten mit einer Bank zum Träumen.
Wendet man sich vom Fontänengarten Richtung Norden, gelangt man in einen sehr großen Küchengarten, in dem das ganze Jahr über viel geerntet wird. Er ist äußerst attraktiv gestaltet mit allem, was man sich an Gemüse vorstellen kann, Spalierobst, Rosen und Bauerngartenstauden.
Übrigens sorgt man in Tintinhull für eine üppige Rosenblüte, indem die Zweige der Pflanzen Richtung Boden gebogen und fixiert werden. Das hat den Effekt, dass sich aus den waagerecht liegenden Augen zahlreiche Neutriebe bilden.
Hinter dem Küchengarten befinden sich die Gewächshäuser und eine baumbestandene Wiese, aus der jetzt im frühen Frühjahr ganz bezaubernd Narzissen, Primeln und Scharbockskraut leuchteten.
Ein beeindruckender Gartenteil in seiner schlichten Klarheit ist der Teichgarten. Er bildet heute das Kernstück der Anlage. Ein besonderes Plätzchen zum Ausruhen und Schauen bietet sich vom offenen Pavillon, dem Summer House. Phyllis ließ diesen Pavillon im Andenken an ihren im Zweiten Weltkrieg gefallenen Neffen Michael Lucas errichten. Die Gestaltung des Gartenraums ist ruhig, die lang gestreckte Wasserfläche wird von zwei länglichen Rasenwegen gesäumt, die Rabatten sind Ende März über und über mit Narzissen gefüllt. Im Sommer muss es wunderschön sein, wenn die westliche Rabatte in warmen Tönen glüht, die östliche sich dagegen in kühlen Farben wie blau, lila, silber und rosa präsentiert.
Läuft man im Uhrzeigersinn weiter, gelangt man in den Zedernhof. Er heißt so wegen einer großen alten Libanonzeder, die hier hineinragt. Phyllis setzte hier weitere kostbare Bäume ein, wir konnten besonders die Magnolienblüte bewundern. Ansonsten sorgt die große Rasenfläche für einen optischen Ausgleich zu den bunt bepflanzten Rabatten entlang der Mauern und Hecken.
Den Abschluss unseres Besuches bildete ein Gang durchs Haus – wer englisch-nostalgischen Lebensstil kennenlernen möchte, hier findet man ihn. Interessanterweise kann man in Tintinhull House auch nächtigen wie im Hotel. Ich weiß genau, dass ich wiederkomme: zu einer späteren Jahreszeit – Ende Juni – und als Hausgast. Das ist jetzt mein Traum.
- Farm Street
- Tintinhull
- nr Yeovil BA22 9 PZ
- Somerset
- (Landstraße A303)